Magazin

Außer Kontrolle

Ein kurzer Zwischenstand zur Serie des Versagens deutscher Sicherheitsbehörden
Das neue Logo des Bundesamts für Verfassungsschutz soll ein Zeichen für mehr Transparenz setzen
Das neue Logo des Bundesamts für Verfassungsschutz soll ein Zeichen für mehr Transparenz setzen Bild von florriebassingbourn

Ließe man die Rolle des Verfassungsschutzes bei dem Skandal um den NSU-Komplex außer Acht, so sind bereits die Versäumnisse der Fahndung durch die Polizei kolossal. So fand die Polizei 1998 in der vom Zwickauer Trio zur Bombenbauwerkstatt umfunktionierten Garage in Jena ein Adressbuch, das zum Umfeld der Gruppe in ihrem Versteck in Chemnitz sowie nach Nürnberg, dem ersten Tatort der Mordserie, führte. Mit einem der eingetragenen Kontakte soll Beate Zschäpe nach dem Abtauchen des Trios gar kurzzeitig liiert gewesen sein, doch diese vielsagende Kartei wurde als irrelevant eingeschätzt. Ebensowenig wurde ein 2000 bei eben diesem Mann beschlagnahmtes Adressbuch genutzt, in dem die Namen des Zwickauer Trios inklusive Umfeld eingetragen waren. Bei dem Bombenanschlag in Köln 2004 hätte schlicht der Abgleich einer Tatmitteldatei, also die Prüfung des verwendeten Sprengsatzes, die Namen des Zwickauer Trios ausgespuckt. Und bei der Ermordung der Polizistin Michelle Kiesewetter 2007 in Heilbronn wurde die Überprüfung der bei der Ringfahndung notierten Kennzeichen unterlassen, unter denen sich offenbar das Wohnmobil der Gruppe befand. Weiterlesen … »

Ein Anruf genügt …

Der ›dritte Mann‹ des NSU. Ein Gastbeitrag von Wolf Wetzel
Ein Anruf genügt …
Bild von Bierlos

Der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfA), Heinz Fromm, ist zurückgetreten. Er wusste warum: Die Behauptung, sein Referatsleiter habe eigenmächtig Akten vernichtet, die zur Aufklärung der NSU-Morde bedeutungslos sind, hätte nicht lange überlebt1. Ein Leitender Beamter riskiert nicht seinen Job, um bedeutungslose Akten zu vernichten. Ein Referatsleiter handelt nicht eigenmächtig, wenn er die Generalbundesanwaltschaft und den Untersuchungsausschuss belügt. Würden die Akten aus der ›Operation Rennsteig‹ belegen können, dass der Verfassungsschutz keine heiße Spur, keine (V-Mann-)Kontakte zu den ehemaligen Mitgliedern des Thüringer Heimatschutzes (THS) hatte, hätte man sie vorgelegt, den Medien zugesteckt, wie ein Alibi herumgereicht.

  • 1. Kurz nach seinem Rücktritt wird bekannt, dass noch viel mehr leitende Beamte in diese Aktenvernichtungsaktion involviert waren.

Die Agenda des Salzwasserökonomen

Das neue Werk von Paul Krugman
Die Agenda des Salzwasserökonomen

Mit seinem Buch „Vergesst die Krise! Warum wir jetzt Geld ausgeben müssen“ liefert der US-Ökonom Paul Krugman einen wortmächtigen Gegenentwurf zur Ideologie des „Kaputtsparens“. Er versteht es einmal mehr, mit einfachen Worten und Metaphern volkswirtschaftliche Zusammenhänge so darzustellen, dass sie auch von Lesern ohne große Vorkenntnisse verstanden werden können. Paul Krugman sei der erste Blogger, der einen Nobelpreis gewonnen hat – so lautet ein Bonmot, das vor allem von seinen Gegnern immer wieder gerne fallengelassen wird. Weiterlesen … »

Friede, Freude, Pflastersteine

Über das Versagen der bürgerlichen Medien nach den Blockupy-Protesten. Ein Gastbeitrag von Ralf Hoffrogge
(Nicht) immer eine Reise wert: Frankfurt
(Nicht) immer eine Reise wert: Frankfurt Bild von picture4it

Vielen Aktiven, die am vorigen Samstag und Sonntag von den Blockupy-Protesten aus der Frankfurter Innenstadt in ihre Heimatstädte zurückkehrten, musste der Montag wie eine Art Aschermittwoch erscheinen - zumindest was die Tagespresse anging. Ihr Protest, der im Vorverkauf als Geisterbahn durch die Medien dampfte, zwischendurch mangels Interesse kurz abgesetzt wurde, gipfelte schließlich in der massenmedialen Premierenshow am 19. Mai irgendwo zwischen Halloween und Karneval. Die Polizei habe sich blamiert - die Aktionen dagegen seien bunt, kreativ, fröhlich und vor allem eines gewesen: friedlich. Daher landeten sie dann konsequent am Montag danach auch nicht mehr auf den Titelseiten. Weiterlesen … »

Die Angst der Eliten vor dem Volk

Eine neue Stufe der marktkonformen Demokratie
Die neuen Stimmzettel in Europa?
Die neuen Stimmzettel in Europa? Bild von aranjuez1404

Wie eigentlich kaum anders zu erwarten, hat das Gros der deutschen Medien mit hysterischer Schnappatmung auf den Linksrutsch in Frankreich und Griechenland reagiert. Anstatt das Votum des Volkes zu akzeptieren und zu respektieren, verweist die deutsche Presselandschaft lieber mit gespielter Distanziertheit auf die vermeintliche Reaktion der Finanzmärkte und prophezeit der Eurozone eine „Vertrauenskrise“. Freilich ist dabei nicht das Vertrauen der Bürger, sondern das Vertrauen der Finanzspekulanten gemeint. Die Bürger vertrauen nämlich längst nicht mehr darauf, dass die Politik ihre Interessen vertritt. Da stellt sich unweigerlich die Frage, ob Medien, die ganz offen die Interessen der Eliten und der Finanzlobby über die Interessen des Volkes stellen, überhaupt noch der freiheitlich demokratischen Grundordnung entsprechen. Weiterlesen … »

Demographische Folgen der Eurokrise

Analyse und Schlussfolgerungen

Im Kielwasser der Eurokrise unterwirft sich die Staatengemeinschaft einer selbstmörderischen Sparpolitik. Bereits heute haben die Arbeitslosenzahlen südeuropäischer Staaten einen Wert erreicht, der an die schlimmsten Wirtschaftskrisen vergangener Zeiten erinnert. Dies wird zwangsläufig zu Migrationsbewegungen von der Peripherie ins Zentrum führen, die Europa zwar enger zusammenwachsen lassen, allerdings vor allem die Peripherie noch weiter schwächen. Wenn die europäische Politik diesem Trend nicht entgegensteuert, sondern ihn weiter verstärkt, könnten ganze Staaten vom gemeinsamen Wohlstand abgehängt werden. Weiterlesen … »

Koalitionäre Opposition

Eine Einschätzung
Die Bundestagswahl 2013 könnte man sich getrost sparen. Prozentzahlen stehen freilich noch nicht fest - aber dass am Ende eine Große Koalition steht, ja, stehen muß, das ist zweifellos programmiert. Die Sozialdemokratie spielt derzeit Opposition, wirkt dabei aber wie eine Regierung light, bejaht und bestärkt die Regierungsabsichten, indem sie hinter die Meldungen des Regierungssprechers ein dezentes Aber setzt und glaubt, damit eine eigene Alternative zur neoliberalen Agenda gefunden zu haben. Dabei entkräftet sie nur die Drastik einer wirtschaftsgeführten Regierung und glaubt mit dieser Abmilderung ganz neue, ganz andere Positionen einzunehmen, als es der »Kombattant« tut.
 
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