Magazin Beitrag
Tatort Plagiat
Spätestens seit dem Fall des Dr. ex. Theodor etc. etc. von und zu Guttenberg ist einer breiten Öffentlichkeit das Problemfeld Plagiat bekannt geworden. Aktuell muss die Bundesbildungsministerin Annette Schavan um Doktortitel, Ruf und Amt bangen.
Doch auch im Journalismus sind Plagiate alltäglicher, als so mancher vermutet. Schlechte Bezahlung und Produktionsdruck tun ihren Beitrag zum Abschreiben. Zumeist ist das wenig dramatisch. Sofern eine Recherche in eigene Worte gekleidet wird, ist das Plagiat völlig legal; fügt der Autor dem noch eine Quellenangabe hinzu, ist diese Übernahme gar Erkenntnis fördernd, gängig, vielmehr: Tagesgeschäft.
Diese beiden kleinen Schritte werden nur allzu gerne vergessen – was soll den die liebe Mühe, wenn die Freunde mit dem Bier in der Kneipe warten und der Redaktionsschluss naht?
Mein Beitrag „Tatort Netzwerk“, welcher Anfang Januar 2012 versuchte, über die Irrungen und Wirrungen des NSU-Komplexes aufzuklären, erfuhr eine besondere Rezeptionsgeschichte. Denn diesem sind gleich mehrere Kopiermeister über den Weg gelaufen: Bei einigen Beiträgen war ich mir nicht wirklich sicher, ob hier Recherchen oder Passagen übernommen wurden, in zwei Fällen findet sich jedoch eine eindeutige, ergo verräterische Sprache.
Diese möchte ich hier kurz vorstellen. Der erste Fall handelt von einer stilistischen Übernahme einzelner Passagen. Eine gebräuchliche Definition des Plagiats lautet:
Plagiat umfasst unter anderem die Unterlassung von geeigneten Quellenhinweisen bei der Verwendung der Formulierungen oder besonderen Wortwahl eines anderen, der Zusammenfassung der Argumente von anderen oder die Darstellung vom Gedankengang eines anderen.
Bei einem Beitrag im Neuen Deutschland im Februar 2012 „Spuren des NSU verlieren sich“ finden wir die Verwendung der Formulierungen und der Wortwahl:1
Der 4. November 2011 war ein Freitag. Die Sonne hatte ihren höchsten Punkt erreicht, als eine Polizeistreife im Eisenacher Vorort Stregda ein weißes Wohnmobil entdeckte. Treffer! Zwei Stunden zuvor war nur einige hundert Meter entfernt eine Sparkasse überfallen worden. Ein Zeuge will gesehen haben, wie zwei Täter auf einem nahe gelegenen Parkplatz ihre Fahrräder in ein solches Wohnmobil luden und davon brausten. Da stand es nun - und plötzlich brannte es. Im Innern fand man die Leichen von Uwe Böhnhardt (34) und Uwe Mundlos (38). Die beiden Männer hatten - wie man seltsam schnell herausfand - zusammen mit einer Frau namens Beate Zschäpe (34) in einer Zwickauer Wohnung unter falschem Namen gelebt. Die Wohnung war wenige Stunden nach einem Banküberfall in Flammen aufgegangen. Zschäpe stellte sich der Polizei und schweigt. Doch sowohl im Wohnmobil wie im Wohnungsschutt fanden Ermittler Indizien für eine beispiellose Serie politisch motivierter Verbrechen.
Im meinem Beitrag „Tatort Netzwerk“ vom Januar 2012 hieß es:
Es war Freitag, kurz vor Mittag. Die Sonne schien auf die Kleinstadt Eisenach, als eine Polizeistreife in eine verschlafene Seitenstraße eines Vorortes einbog. Der Wagen hielt, denn die Beamten hatten gefunden, wonach sie suchten. Zwei Stunden zuvor wurde nur einige hundert Meter entfernt eine Sparkasse überfallen. Ein Zeuge hatte gesehen, wie zwei Männer auf einem nahe gelegenen Parkplatz ihre Fahrräder in ein Wohnmobil einluden und davon brausten. Nun stand vor den Polizisten ein Wohnmobil, in dem sie die Bankräuber vermuteten. Sie riefen Verstärkung, verließen ihr Auto und näherten sich mit gezogenen Waffen dem Wagen. Aber sie kamen nicht dorthin. Sie hörten mehrere dumpfe Geräusche, und das Wohnmobil ging in Flammen auf. Darin verbrannten die Leichen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.
Bemerkenswert ist, daß dem Autoren der Text offenbar gut gefallen hat – er hat diesen somit als Vorlage wie einen Steinbruch genutzt und dann umfassend überarbeitet. Kein einziger Satz wurde vollständig übernommen, teils wurden Sätze umgestellt, teils einzelne Worte ersetzt. Dennoch ist das Plagiat eindeutig. Über die Wortwahl hinaus hat der szenische Stil „High Noon in Eisenach“ den Autoren offenbar inspiriert – jedoch nicht ausreichend genug, um eine gänzlich eigene Variante dieses Western-Sujets zu verfassen.
Insgesamt empfand ich dieses Plagiat vom Februar 2012 eher amüsant, da keine Recherche, sondern nur ein stilistisches Bild kopiert wurde. Ohnehin war dieser Einstieg eine bewußte, wenn auch stillschweigende Persiflage auf das klassische szenische Portal einer Reportage. Eine umgeschriebene, teils übernommene Passage erschien mir unter dem Produktionsdruck einer Tageszeitung somit verzeihlich. Ich stelle mir vor, wie ich dem Autoren dabei geholfen habe, eine halbe Stunde früher bei seinen Freunden in der Kneipe zu sitzen. Prost!
Diese Geschichte wäre also der Erwähnung in diesen Zeilen nicht wert gewesen, sofern mir nicht ein halbes Jahr später ein weiteres Plagiat des gleichen Textes über den Weg gelaufen wäre. Weit weniger lustig finde ich, was Maik Baumgärtner und Marcus Böttcher in ihrem Buch „Das Zwickauer Terror-Trio: Ereignisse, Szene, Hintergründe“ mit dem Text aus „Tatort Netzwerk“ machten. In ihrem Anfang September 2012 erschienen Buch schrieben sie:
Unterlegt ist das Bekennervideo mit Lieder von »Noie Werte«, einer Ende der 80er Jahre gegründeten Band aus dem Südwesten Deutschlands. Kopf der Gruppe, die sich nach eigenen Angaben 2012 aufgelöst hat, ist der Rechtsanwalt Steffen H. Der wiederum war an der Gründung des Musiklabels »German-Britisch Friendship« (GBF) beteiligt, durch welches das Blood&Honour-Netzwerk maßgeblich in Deutschland verbreitet wurde. GBF produzierte 1993 eine Platte mit Carsten S. Dieser wiederum wurde später V-Mann der Brandenburger Verfassungsschützer, der durch die Verbindung zum B&H-Mann Jan Werner Informationen über mögliches terroristisches Treiben in Sachsen an die Behörde weiterleitete. Klein ist die Welt.
Damit nicht genug. In der Kanzlei von Steffen H., für die er arbeitet, ist auch Nicole Sch. angestellt und nun Verteidigerin ihres Parteikollegen Ralf Wohlleben.
In „Tatort Netzwerk“ hieß es im Januar 2012:
Die eigentümliche Verquickung von Verbindungen wird auch an einem Beispiel deutlich: So spielt auf einer früheren Version der Bekennerfilme, die in den Trümmern der Zwickauer Wohnung gefunden wurde, im Hintergrund die Musik der Rechtsrock-Band Noie Werte. Der Sänger der Band und Anwalt, Stefan Hammer, arbeitete in der Kanzlei H3 zusammen mit der Anwältin Nicole Schneiders, welche nun Ralf Wohlleben vertritt, welcher als einer der wichtigsten Organisatoren für die NSU beschuldigt wird. Hammer wiederum war an der Gründung des Labels German-British Friendship (GBF) beteiligt, durch welches das Britische Blood & Honour Netzwerk maßgeblich in Deutschland verbreitet wurde. Laut dem Antifaschistischen Infoblatt (Nr. 49) soll GBF zusammen mit Carsten Szczepanski 1993 eine Platte produziert haben. Szczepanski wurde später V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes, der durch seine Verbindung zu Jan Werner Informationen über die NSU an den Dienst weiterleitete. Eine kleine Welt!
Auch in diesem Plagiat ist kein vollständiger Satz identisch, doch die Änderungen sind überschaubarer. Diese Übernahme ist jedoch gravierender als der erstgenannte Fall. Denn über die stilistische Entwendung hinaus wurde eine komplette Recherche ohne Quellenangabe eingebettet, also die „Darstellung eines Gedankenganges“ übernommen. Im Original habe ich selber Bezug genommen auf bestehende Texte und diese durch drei Links und eine Nennung kenntlich gemacht. Sätze und Recherche ohne Quellenangabe zu übernehmen, erscheint hier unverzeihlich, da kein schnell zusammengeschusterter Zeitungsartikel vorliegt, sondern vielmehr ein Sachbuch zum stolzen Preis von 15 Euro. Selbst meine Schlußfolgerung „Eine kleine Welt!“ wurde verwurstet zu „Klein ist die Welt.“ Die bekannte Tatsache einer überschaubaren Welt hätten die Autoren ruhig beherzigen können: Denn dann hätten sie geahnt, daß ich ihnen auf die Schliche komme.
An beiden Plagiatspassagen fällt jedoch ins Auge, daß die Autoren offenkundig glauben, ihre Leichtfertigkeit würde niemand bemerken, wenn sie einzelne Worte austauschen, Aufbau und Passagen leicht abändern. In einer naiv-gutmütigen Interpretation nehme ich an, die Autoren wiegten sich in der Gewissheit, sie würden durch Änderungen kein Plagiat produzieren – die realistischere Annahme jedoch ist die Unterstellung des Versuchs, das Plagiat einfach gut zu tarnen und dadurch unkenntlich zu machen. Insbesondere bei dem Buch zum „Zwickauer Terror-Trio“ sei der Verdacht anzufügen, daß dies nicht die einzige Plagiatsstelle ist. Wohlweislich haben die Autoren auf ein Quellenregister verzichtet, nur an einigen Stellen haben sie sich explizit auf journalistische Arbeiten bezogen.
Schon in ihrem Buch taucht ein zweites, wenn auch lässliches Plagiat meines Textes auf, daß für sich genommen vielleicht keiner Erwähnung wert wäre. So schreiben die Autoren:
In der nordhessichen Großstadt gibt es keine starke rechte Szene. Lediglich die vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppe »Freier Widerstand Kassel« ist hier aktiv.
Die ungenannte Quelle „Tatort Netzwerk“:
Kassel ist dagegen der einzige Ort der Mordserie ohne eine starke rechte Szene – lediglich die Gruppe Freier Widerstand Kassel ist in dem Viertel des Mordes aktiv.
Da diese zweite Plagiatspassage an einer gänzlich anderen Stelle in dem Buch auftaucht, ist ein Flickwerk von Buch zu vermuten. In der Literatur kann von Zeitdruck vergleichbar dem einer Redaktion keine Rede sein. Jedoch ist bei einem Thema wie dem NSU-Komplex jeder Tag, den ein solches Buch früher erscheint, bares Geld. In einem Jahr schreit vielleicht kein Hahn mehr nach dem „Zwickauer Terror-Trio“. Eine schnelle Buchveröffentlichung trägt zum Renommé der Autoren bei und steigert ihren Kompentenz- sowie Marktwert zum Thema und somit deren Kontostand. Dies begründet die mitunter mangelnde Qualität von Sachbüchern zu Themen des aktuellen Zeitgeschehens.
Abschließend drängt sich mir der Eindruck auf, so mancher Journalist meine, die Blogosphäre sei einer Zitierung nicht würdig, vielmehr ein frei verfügbarer Steinbruch. Lieber doch bezieht sich ein Autor auf die Süddeutsche Zeitung oder den Spiegel, denn auf das Dossier oder irgendeinen unbekannten Blog. Die Übernahme von interessanten Gedanken, Ideen und Recherchen ist eigentlich zu begrüßen. Eine Quellenangabe, auch zu den Netzmedien, tut jedoch niemanden weh; die Fähigkeit, einen Gedankengang in eigene Worte zu kleiden, sollte Journalisten ebenso wenig überfordern.
- 1. Eindeutige Plagiatspassagen sind fett dargestellt.
Kommentare
Also ich finde dass du dich
Also ich finde dass du dich da in etwas hineinsteigerst. Bei der Sache vom
ND könnte ich ja noch sagen, dass du eventuell recht hast, bei dem Buch (deren Autoren ich nicht kenne!!) sind deine Vorwürfe aber weit weit weit hergeholt und zusammen konstruiert. Der erste Vorwurf: Der Fakt der dort angesprochen wird ist in der Szene bekannt und die Autoren haben sogar ihre Quelle eingebaut (Antifaschistisches Infoblatt). Und dein zweiter Vorwurf ist beinahe lächerlich, da auch hier die Quelle mehr oder weniger genant ist (Verfassungsschutz). Hätten die beiden nicht öffentliche Geheimdienstdokumente als Quelle angeben sollen? Also dieser Blogeintrag war gar nix…
Bitte sorgfältiger lesen
Bitte etwas sorgfältiger lesen – die Quelle ist in meinem Beitrag und nicht im Plagiat genannt, dort vielmehr entfernt worden.
In dem zweiten Fall habe ich selbst gesagt, daß das Plagiat lässlich ist. Hier ging es nur darum zu zeigen, daß das Kopieren System hat.