»Kooperative Trennung«
Selbst Ex-Papst Joseph Ratzinger forderte die konsequente Trennung von Staat und Kirchen in Deutschland. Bisher besteht diese nur teilweise unter dem Schlagwort »kooperative Trennung«. Vor allem geht es um dreistellige Millionenbeträge, die der Staat unabhängig von der Kirchensteuer jährlich den beiden großen Glaubensgemeinschaften überweist. Aber auch in anderen Bereichen besteht keine strikte Neutralität. So gilt immer noch ein Tanzverbot an hohen christlichen Feiertagen und außerdem der §166 des Strafgesetzbuches, der bestimmte Formen der Kirchenkritik mit bis zu drei Jahren Haft bedroht. Patrick Spät zieht aus diesen Tatsachen die Schlussfolgerung:
Es geht nicht um eine Verdammung der Kirchen, es geht um gerechte Verhältnisse. Die Religionsfreiheit ist eine wichtige Errungenschaft. Jeder soll denken und zeigen können, was er will - seien es Kruzifixe, Kopftücher, Kippas, Nirvana-Bandshirts oder Bayern-München-Trikots. Aber als Ausdruck der privaten Überzeugung und ohne jedes staatliche Sponsoring. Denn momentan sponsert jeder Atheist, der beim Bäcker einen Christstollen kauft und Mehrwertsteuer löhnt, die landesweiten Kirchen. Und gegenwärtig sind über 38 Prozent der Bürgerinnen und Bürger konfessionsfrei. […] Religion ist nicht Staats-, sondern Privatsache, nicht mehr und nicht weniger. Die Frage, ob Gott und das Spaghettimonster existieren oder nicht, ist dabei völlig irrelevant. Jeder darf und soll glauben, was er oder sie will. Aber die Institution Kirche muss auf eigenen Beinen stehen - Kirche und Staat müssen endlich strikt getrennt werden.
Der Untergang ist nah!
Langsam hat es sich herumgesprochen: Nicht am 30. Mai ist Weltuntergang – und auch das Jahr ist nicht mehr unbekannt: Sondern am 21. Dezember 2012 wird die Welt entgültig untergehen. Dieses Gerücht geht in diesem allerletzten Jahr um. Wie die merkwürdige These in die Welt kam und wie die moderne Mediengesellschaft den Kalender der Maya in ihrem Sinne interpretiert, darüber klärt der Maya-Forscher Nikolai Grube im Interview mit dem Freitag auf. Denn die moderne Auffassung alter Kulturen erscheint dem Forscher befremdlich, doch er erkennt deren Wert an ganz anderer Stelle:
Ich glaube nicht, dass wir direkt etwas von alten Kulturen lernen können. Wir haben immer das Gefühl, wenn man Archäologie betreibt, dann muss das einen Nutzen haben, der sich sofort in Heller und Pfennig abzeichnet in unserer kapitalistischen Welt. Man kann vielleicht sagen, die Maya und viele andere Zivilisationen auf dem amerikanischen Kontinent lehren uns, dass es eben auch außerhalb von Europa bedeutende Kulturentwicklungen gegeben hat. Und dass wir vielleicht etwas bescheidener sein sollten und die globale Vergangenheit verstehen müssen, die unterschiedlichen Traditionen, aus denen sich unsere moderne Welt zusammensetzt.
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Weiblicher Sextourismus
Die Stories klingen sehr pauschal und strotzen nur so vor Klischees: Hier die ahnungslose Touristin, die an die romantische Liebe glaubt, dort der exotische Strandbeau, der sie gnadenlos ausnutzt. »Bezness«, eine arabisierte Variation von Business, hat sich für das Phänomen mittlerweile eingebürgert. Laut Bild der Frau betraf das allein in diesem Jahr 5.000 deutsche Urlauberinnen, vor allem in der Türkei, in Tunesien, Marokko oder Kenia. Grund genug für das Blatt, zwei Undercover-Journalistinnen vor Ort recherchieren zu lassen. Herausgekommen sind eindeutige Frontlinien, die Rede ist von »Liebes-Mafia« und »Gefühls-Gangstern«.
Die taz gibt sich da weit weniger aufgeregt. Für sie ist Bezness vor allem Ausdruck des Wohlstandsgefälles zwischen Nord und Süd. Vielleicht steckt hinter der vorgeblichen naiven Romantik aber auch ein uneingestandenes Kalkül: Einmal aus dem grauen Alltag ausbrechen, Erotik und Bauchkribbeln für zwei Wochen – wahrhaft all inclusive sozusagen. Oder welche Frau meint ernsthaft, ein zwanzig Jahre jüngerer Beachboy erkennt in ihr die große Liebe, jenseits aller kulturellen und ökonomischen Barrieren?
Zwang zur Selbstoptimierung
Als die Folgen der ausufernden Industriegesellschaft als Raubbau an Natur und Mensch in den 70er Jahren unübersehbar wurden, stellte sich erstmals einer breiten Öffentlichkeit die Frage nach den Grenzen des endlos scheinenden Wirtschaftswachstum. Trotz des erreichten Zenits der Ölförderung zählt Harald Welzer heute jedoch zu den eher wenigen Intellektuellen, welche dieses spezifische Fundament des Kapitalismus kritisieren.
Das fehlende Bewußtsein über die Grundlagen unseres modernen Lebens beruht auf der völligen Verinnerlichung und Affirmation des Wachstums – mit dieser Überlegung erweitert Welzer in zwei jüngst erschienenden Schriften in den Blättern und dem SZ-Magazin sein Forschungsgebiet von einer Wirtschafts- zu einer allgemeinen Gesellschaftskritik. Diese leitet er aus der Entwicklungsgeschichte des Kapitalismus der vergangenen 200 Jahre ab. So gelingt eine Kulturkritik, die viele Eigenschaften des Selbst- und Weltbildes des modernen Menschen herausschält: Dem im ewigen Werden der Waren- und Selbstproduktion gefangenen Menschen der Leistungsgesellschaft. Weiterlesen … »
Ursachenforschung
Viel wird geschrieben über den schwarzen Kontinent: über seine Krisen und Probleme, über die Gründe und die Lösungen. Hanna Silbermayr plädiert dafür, erst einmal nach den Wünschen und Vorstellungen der Menschen vor Ort zu fragen. Stattdessen werde hier in Europa aber vorzugsweise mit Klischees und Vorurteilen argumentiert, die nicht selten offen oder verdeckt eine Form des Rassismus seien.
Diese Fremdenfeindlichkeit hat die österreichische Journalistin auch in einem anderen Zusammenhang festgestellt: Bei den illegalen afrikanischen Hilfsarbeitern in der spanischen Landwirtschaft. Hier vermischen sich wirtschaftliche Ausbeutung und Ablehnung geradezu exemplarisch. Die Folgen für die Betroffenen sind dramatisch, viele erwägen mittlerweile enttäuscht die Rückkehr in ihre Heimat. Das vermeintlich gelobte Land Europa hat sich ihnen von einer unschönen Seite gezeigt.
Schwarz-weiß in Farbe
Bei der Mordserie an in erster Linie türkischen Gewerbetreibenden vermutete die Polizei lange Zeit einen mafiösen Hintergrund, und saß somit einem Klischee auf. Diese Form von Alltags-Rassismus durchzieht unsere Gesellschaft: Dies wird an dem Beitrag »Migrantin oder Dealer« von Zapp deutlich, der die Rollenbesetzung von Schwarzen im Fersehen thematisiert. Besonders krass zeigt sich ein koloniales Weltbild bei romantischen Spielfilmen, die das deutsche Fernsehen in Afrika dreht und in denen die Rolle vom weißen Herrscher und schwarzen Diener gespielt wird. So beklagen sich deutsche Schauspieler mit dunkler Hautfarbe über das schlechte Rollen-Angebot, das sie auf dem Markt erhalten. Selten seien das normale Rollen wie Lehrer oder Arzt. Die interviewten Schauspieler meinen allerdings, daß die deutsche Gesellschaft hier längst weiter sei als die Fernsehproduktion.
'Heut ist alles schlechter'
Auf ihrem Blog alternativlos.org diskutieren Felix von Leitner und Frank Rieger mit Frank Schirrmacher über den Zustand des politischen Diskurses in Deutschland heute. Dabei geht es um das Niveau der Rhetorik in der deutschen Politik, das Phänomen Guttenberg, Tabus im öffentlichen Diskurs, die Simulation von Wahrheit, das Ende der Rationalität im politischen Diskurs. Und dass wir, wenn schon, wenigstens gut belogen werden wollen.
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