Presseschau Beiträge von Martin Atzler

Perspektivlose Gewaltspirale

Der syrische Bürgerkrieg zeigt keine Friedensperspektive auf

Die Lage spitzt sich in Syrien seit Monaten dramatisch zu. So detonierten selbst in der Hauptstadt Damaskus Bomben, die von Unbekannten gelegt wurden. Auch der Hergang des jüngsten Massakers an der Zivilbevölkerung in dem Ort Houla, der nahe den Protesthochburgen Hama und Homs liegt, ist bislang ungeklärt. Dennoch haben mehrere europäische Staaten die syrischen Botschafter ausgewiesen. Im Gegensatz zu vorherigen Ereignissen, wie den Kämpfen in dem Stadtviertel Baba Amr, wird dieser Vorfall von der Beobachtermission der UNO geprüft, welche auf Basis einer Resolution Ende April entsandt wurde – doch bislang liegt kein Bericht vor. Russland warnt vor einer vorschnellen Beurteilung ohne eingehende Untersuchung und mahnt eine enge Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft zur Befriedung des Konfliktes an. Weiterlesen … »

Klima des Mißtrauens

Sorgen die Gouverneure im Norden Afghanistans für eine Neuauflage des Bürgerkriegs?
Wie wird sich die Afghanische Armee nach dem Abzug der ISAF verhalten?
Wie wird sich die Afghanische Armee nach dem Abzug der ISAF verhalten? Bild von Helmandblog

Wie wird sich Afghanistan nach Abzug der westlichen Truppen entwickeln? Bislang herrscht eine Art Waffenstillstand zwischen der Nordallianz und der Regierung unter Hamid Karsai. Doch zwischen den Gouverneuren im Norden und der Regierung in Kabul herrscht ein Klima des Mißtrauens, wie Marc Thörner im Deutschlandfunk schildert. In diesem Sinne verläuft die Frontlinie nicht einfach zwischen Taliban und der Regierung, sondern vielmehr auch zwischen den Tadschiken und Usbeken im Norden und Paschtunen im Süden und Osten. Karsai geht auf die Taliban zu, da er sich von der Neuauflage der Nordallianz unter Druck gesetzt fühlt und neue Bündnispartner benötigt. Somit nähert er sich auch Pakistan an. Zugleich soll aber die Afghanische Nationalarmee nicht eine ethnisch dominierte Truppe sein. Um diese Widersprüche herum dreht sich die Frage, ob eine Neuauflage des afghanischen Bürgerkriegs folgen wird oder ein Kompromiß zwischen den Parteien doch möglich ist. Diese planen zumindest für die Zeit nach dem Abzug der ISAF.

Gespaltene Sicht

Der Streit um das iranische Nuklearprogramm
Der Iran droht im Konfliktfall die Straße von Hornus zu blockieren
Der Iran droht im Konfliktfall die Straße von Hornus zu blockieren Bild von eutrophication&hypoxia

Plant der Iran eine Atombombe? Diese Frage ist heftig umstritten, bislang wurden lediglich Indizen, jedoch keine Belege für ein Atombombenprogramm angeführt. Gilles Cayatte zeigt den Kalten Krieg zwischen dem Westen und dem Iran um dessen Atomprogramm, dessen Anfänge in der Zeit vor der Islamischen Revolution liegen. In einer Art Katz-und-Mausspiel versucht die iranische Regierung, die strengen Sanktionen über Mittelländer zu umgehen. Dabei bleibt unklar, ob die eingeführten Teile für zivilie oder militärische Zwecke genutzt werden. Dem etwas reißerischen Titel »Die Bombe um jeden Preis« wird der Film nicht gerecht, denn es wird nicht ersichtlich, daß der Staat am Persischen Golf diese tatsächlich anstrebt. Interessant sind jedoch die Stimmen von Beobachtern und Beteiligten. So wird deutlich, daß der Westen eine iranische Bombe im Zweifel kaum verhindern kann, auch wenn dies durch Sanktionen und Anschläge auf Wissenschaftler versucht wird. Dabei erscheint eine Bedrohung des Atomwaffenstaates Israel keineswegs als gravierenste Auswirkung dieses Szenarios. Vielmehr besteht die Bedrohung im Wettrüsten in Vorderasien. Wenn der Iran die Bombe will, so könnten auch die Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten dies anstreben. Beim konventionellen Militär ist diese Rüstungsspirale schon längst im Gange.

Schattenwelt im Kleingedruckten

Über die Auswirkungen des Chemiecocktails in Kosmetika
Mit der Schrift beginnt das Gift: Inhaltsstoffe im Kleingedruckten
Mit der Schrift beginnt das Gift: Inhaltsstoffe im Kleingedruckten Bild von Cerro Mijares

Die Welt des Konsums verbirgt gerne ihre Schattenseiten im Kleingedruckten. Wenig wissen wir über die Herstellungsmethoden von Produkten. Ob in Textilien, Lebensmitteln oder Kosmetika, die Bestandteile kommen aus aller Welt. In vielen Lebensmitteln verbergen sich Chemikalien durch Herbizide und Pestizide, die auf Feldern und Plantagen versprüht werden. Eine weitere Quelle der schleichenden Vergiftung findet eine Sendung von NDR 45 min in Kosmetika, in denen sich viele Bestandteile finden, die in Europa eigentlich verboten sind. Doch diese Verbote werden durch die Produktion in China umgangen, der gesetzliche Schutz ist nicht ausreichend. Neben krebserregenden oder giftigen Stoffen finden sich viele Allergien auslösende Mittel, die aber völlig legal sind. Die Wirkung ist lediglich ansatzweise erforscht, so ist die hormonelle Wirkung einzelner Stoffe umstritten. Fakt ist aber, daß der Konsument von einem Cocktail von Chemikalien umgeben ist, die auf den menschlichen Körper einwirken – gewissermaßen eine Langzeitstudie mit ungewissem Ausgang. Die politische Kontrolle über Endprodukte der Chemieindustrie ist wenig effektiv.

Zeitenwende in Europa?

François Hollande wird französischer Staatspräsident in einem konservativ geprägten Europa
Siegesfeier in Paris
Siegesfeier in Paris Bild von rsepulveda

Frankreich hat gewählt, François Hollande ist neuer französischer Staatspräsident. Trotz seiner Ankündigung, die europäische Sparpolitik in Frage zu stellen und Reiche stärker zu besteuern, gilt er nicht gerade als ein Revolutionär. Philip Stephens sieht ihn in der Financial Times gar als »moderaten Konservativen«, da er »das Modell der sozialen Marktwirtschaft aus dem Nachkriegseuropa zurückfordert«. Der Autor bezweifelt, daß Hollande sich gegen das Dogma der Sparpolitik durchsetzen kann:

Ob links oder rechts, ob mit oder ohne Euro, die Eliten an der Macht huldigen dem Altar der Sparpolitik. Regierungen dürfen sich hier ein bisschen schräg stellen, dort angedeutete Akzente setzen. Doch niemand wagt es, den Katechismus der Haushaltsdisziplin in Frage zu stellen.

Dem setzt Javier Valenzuela in El País entgegen, daß es Zeiten gebe, in denen schon gesunder Menschenverstand revolutionär anmute. Denn Hollande stemme sich gegen den wirtschaftspolitischen Selbstmord Europas, von der Sparpolitik verursacht. Diese sei das Resultat einer falschen Diagnose. Die Wachstumsschwäche Europas sei vielmehr das eigentliche Problem und nicht die Verschuldung. Weiterlesen … »

Am Ende des Kompromisses

Die Bildungsproteste in Chile stellen den Status quo in Frage
Proteste in Chile 2011
Proteste in Chile 2011 Bild von DGTX

Chile ist seit dem Putsch 1973 ein gespaltenes Land. Daran hat auch die Rückkehr zur Demokratie 1989 wenig geändert. Denn das Land ist durch soziale Ungleichheit geprägt, die besonders im Bildungssytem sichtbar wird. Die Kosten für den Universitätsbesuch tragen maßgeblich die Studenten und ihre Familien. So sind es die Schüler und Studenten, die das politische System mit ihren Protesten nun in Frage stellen. Aus den Bildungsprotesten hat sich eine politische Bewegung entwickelt, die sich mit den sozialen Realitäten in dem neoliberalem Musterland nicht abfinden möchte. Die politische Klasse reagiert mit Zugeständnissen und Repression. Die Bewegung erinnert sich an die soziale Bewegung vor dem Putsch und fordert eine umfassende gesellschaftliche Veränderung, die über Reformen hinausgeht. Peter B. Schumann hat im Deutschlandfunk die Bewegung porträtiert, schildert ihre Forderungen und das politische Klima in Chile.

Konflikt ohne klare Grenzen

Der Aufstand im Niger betrifft auch die benachbarten Staaten
Bamako 2005
Bamako 2005 Bild von Erwin Bolwidt

Die aufständischen Kämpfer im Norden Malis erklärten nach der Eroberung Timbuktus Anfang April ihre Unabhängigkeit. Diese Region grenzt an zahlreiche Staaten in der Sahara. Die Konfliktlinien in Mali sind unscharf, die Grenzen zu den Nachbarländern sind unüberwachbar, da sie über tausende Kilometer durch Wüstengebiete verlaufen. Über die Grenzen sind die Kämpfer im Norden eingesickert: Tuareg-Milizen aus Libyen und islamische Kämpfer aus Algerien. Die internationale Dimension stellt Philippe Leymarie in einer Analyse in der Le Monde diplomatique dar, für die auch eine anschauliche Grafik erstellt wurde. Die vom Militärputsch abgesetzte Regierung zeigte sich weder willens noch in der Lage, die Situation im Norden zu kontrollieren. Schmuggelrouten durch die Sahara ermöglichen die Finanzierung des Aufstandes, zumal die Tuareg in Mali, Niger, Algerien und Libyen ansässig sind. Eine Arte-Sendung der Reihe »Mit offenen Karten« von 2007 veranschaulicht am Beispiel des benachbarten Niger, wie ethnische Grenzen und Klimazonen Landesgrenzen überschreiten und die politische Situation in der Region prägen.

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