Presseschau Sparpolitik

Der große Bankraub

Eine Dokumentation entlarvt das Märchen von der Bankenrettung
Verschiebebahnhof: Die Konzernzentrale der spanischen Bankia
Verschiebebahnhof: Die Konzernzentrale der spanischen Bankia Bild von Popicinio

Nach offizieller Lesart mussten Banken und Staaten in der Eurokrise durch Fonds »gerettet« werden, um einer »Ansteckung« entgegenzuwirken. Doch wer profitiert eigentlich von diesen gigantischen Summen? Dieser Frage geht der Wirtschaftsjournalist Harald Schumann in einer Arte-Dokumentation nach. Staaten wie Irland oder Spanien stützen mit Milliarden der Europäischen Zentralbank heimische Banken, die sich in einer Immobilienblase hoffnungslos verspekuliert haben. Weder die Banken noch ihre Geldgeber in Zentraleuropa haben ausreichend die Kreditwürdigkeit ihrer Investitionen geprüft. Doch nicht die Investoren müssen ihre riskanten Einlagen abschreiben. Vielmehr wird dem europäischen Steuerzahler das Risko übertragen, während Spanien, Irland, Griechenland und Portugal die Schulden über Jahrzehnte zurückzahlen sollen. Am Ende tragen deren Bürger durch Haushaltskürzungen die Kosten. Denn das Geld, das die EZB an diese Staaten auszahlte, floß an die Pleitebanken, damit diese die Investoren der zumeist zentraleuropäischen Banken auszahlen. Der Öffentlichkeit wurde jedoch die Mär der Rettung insolventer Staaten verkauft. Weiterlesen … »

»Der Vergleich hinkt immer weniger«

Stecken wir mitten im großen wirtschaftlichen Niedergang?
Ein Denkmal in der US-amerikanischen Hauptstadt erinnert an die Schlangen vor den Arbeitsämtern während der Weltwirtschaftskrise
Ein Denkmal in der US-amerikanischen Hauptstadt erinnert an die Schlangen vor den Arbeitsämtern während der Weltwirtschaftskrise Bild von John Bencina

Von der irischen Hochebene bis zur Agäis erkennt Michael R. Krätke in den Blättern die »neue Große Depression«:

Das Einzige, was in der europäischen Wirtschaft derzeit wächst, sind die Schlangen vor den Arbeitsämtern und die Ungleichheiten und Disparitäten zwischen den Ländern und Regionen. Griechenland steckt seit über vier Jahren in der Dauerkrise, seine Wirtschaft ist inzwischen um mehr als ein Fünftel geschrumpft worden. Auch Belgien, Finnland, die Niederlande und Österreich schrumpfen, und Großbritannien steht nach dem gefürchteten double-dip, der Zweifach-Rezession, nun vor dem triple-dip.

Verantwortlich für diese perspektivlose Dauerkrise macht der Autor Merkels Austeritätspolitik. Auch die Hoffnung auf Wandel durch die Präsidentschaftswahlen in Frankreich habe sich zerschlagen. Alle Warnungen der internationalen Organisationen wurden in den Wind geschlagen, mittlerweile reicht das Wachstum der BRIC-Staaten nicht mehr aus, die deutsche »Exportmaschine« auszulasten, denn auch sie sind von der Krise getroffen.

Noch hinkt der Vergleich der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise mit der Großen Depression von 1929 bis 1940, aber er hinkt immer weniger.

In die Krise gespart

Zwei Ansätze für eine Lösung

Die aktuelle Situation in Griechenland ist absolut dramatisch - und wird sich voraussichtlich weiter verschlechtern. Ein Schuldenschnitt wäre allerdings nicht notwendig die beste Lösung. Denn aufgrund der aktuellen Gläubigerstruktur - einen Großteil der Staatsschulden halten griechische Banken oder internationale Institutionen - wäre das mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die inländischen Gläubiger müssten bei einem haircut wiederum selbst unterstützt werden, EZB und IWF dürfen nach ihren Statuten auf eine Rückzahlung nicht verzichten. Ein Verzicht der anderen europäischen Staaten, die direkt involviert sind, würde dagegen nur eine geringe Entlastung bringen. Sinnvoller erscheint daher die Umwandlung der Kredite in langfristige und anfangs zinslose Darlehen. Damit würde Griechenland wieder finanzpolitischen Spielraum gewinnen, mit dem dann die Konjunktur angekurbelt werden könnte.

Jenseits dieser Überlegungen, die sich primär auf den Staat konzentrieren, gibt es auch noch andere Ansätze. So beispielsweise die sog. »Kartoffelbewegung«: Sie will durch selbstorganisierten, nicht profitorientierten Handel Verbrauchsgüter preiswerter verfügbar machen. Elias Tsolakidis ist einer der Gründer und gab gerade eine Einschätzung der griechischen Verhältnisse ab. Man muss sicher nicht alle seine Ansichten teilen; aber es ist doch interessant zu lesen, wie massiv die Sparmaßnahmen die Bevölkerung treffen.

Zeitenwende in Europa?

François Hollande wird französischer Staatspräsident in einem konservativ geprägten Europa
Siegesfeier in Paris
Siegesfeier in Paris Bild von rsepulveda

Frankreich hat gewählt, François Hollande ist neuer französischer Staatspräsident. Trotz seiner Ankündigung, die europäische Sparpolitik in Frage zu stellen und Reiche stärker zu besteuern, gilt er nicht gerade als ein Revolutionär. Philip Stephens sieht ihn in der Financial Times gar als »moderaten Konservativen«, da er »das Modell der sozialen Marktwirtschaft aus dem Nachkriegseuropa zurückfordert«. Der Autor bezweifelt, daß Hollande sich gegen das Dogma der Sparpolitik durchsetzen kann:

Ob links oder rechts, ob mit oder ohne Euro, die Eliten an der Macht huldigen dem Altar der Sparpolitik. Regierungen dürfen sich hier ein bisschen schräg stellen, dort angedeutete Akzente setzen. Doch niemand wagt es, den Katechismus der Haushaltsdisziplin in Frage zu stellen.

Dem setzt Javier Valenzuela in El País entgegen, daß es Zeiten gebe, in denen schon gesunder Menschenverstand revolutionär anmute. Denn Hollande stemme sich gegen den wirtschaftspolitischen Selbstmord Europas, von der Sparpolitik verursacht. Diese sei das Resultat einer falschen Diagnose. Die Wachstumsschwäche Europas sei vielmehr das eigentliche Problem und nicht die Verschuldung. Weiterlesen … »

Am Rande der Krise

Die Sparpolitik in Rumänien führt zur Eskalation
Proteste in Bukarest am 24. Januar
Proteste in Bukarest am 24. Januar Bild von Damiano Benzoni

Seit einigen Wochen wird Rumänien von heftigen Protesten erschüttert. Der südosteuropäische Staat reiht sich somit in die Liste der Länder ein, in denen die Folgen der Wirtschaftskrisen zu inneren Konflikten führt. Auslöser der Proteste war eine Gesundheitsreform, die den Rettungsdienst privatisieren sollte. Tomasz Konicz zeigt auf Telepolis jedoch, daß hinter dem Aufruhr der Unmut über ein aufgezwungenes Spardiktat steht, das breite Bevölkerungsschichten weiter verarmen läßt. Die Gehälter im öffentlichen Dienst wurden um ein Viertel gekürzt – ähnlich geht es den Rentnern, die durch Nullrunden bei Inflation faktische Rentenkürzungen hinnehmen müssen. Der Mindestlohn beträgt im »Armenhaus Europas« nur 162 Euro. Die Hoffnungen auf eine Besserung der Lage durch den Eurobeitritt sind insofern erschüttert. Weiterlesen … »

Rohe Bürgerlichkeit

Die soziale Kälte nimmt zu
Rohe Bürgerlichkeit
Bild von hikingartist.com

Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer untersucht seit einigen Jahren in einer Langzeitstudie die Einstellungen gegenüber sozial Schwachen und Minderheiten in unserer Gesellschaft. Die Befunde sind besorgniserregend: Unsicherheiten wachsen, Abstiegsängste nehmen deutlich zu. Damit einher gehen Ausgrenzungen und ein nicht zu unterschätzendes Potenzial für rechte Einstellungen. Schuld an dieser Entwicklung ist nach Heitmeyer vor allem die Oberschicht. Deren Denk- und Verhaltensweisen bezeichnet er als »rohe Bürgerlichkeit«. Sie beurteilt Menschen vor allem nach ökonomistischen Kriterien wie Effizienz und Nutzen und liefert so eine Begründung für die Entsolidarisierung:

Der so von oben inszenierte Klassenkampf wird über die rohe Bürgerlichkeit nach unten weitergegeben. Die objektive finanzielle Spaltung zwischen Reich und Arm wird ideologisch durch die Abwertung und Diskriminierung von statusniedrigen Gruppen durch die rohe Bürgerlichkeit getragen. Dafür gibt es empirische Belege.

Gescheiterte Sozialdemokratie

Analysen zu den Wahlen in Spanien
Neuer und alter Regierungschef
Neuer und alter Regierungschef Bild von Julio César Cerletti García

Spanien hat gewählt, das Ergebnis ist eine überwältigende Niederlage der sozialdemokratischen PSOE. Dabei galt Rodríguez Zapatero bei seinem Amtsantritt vor sieben Jahren als Hoffnungsträger der europäsichen Sozialdemokratie. Andreas Baumer anaylsiert in den Blättern sein Scheitern: So ist Spanien nach dem Platzen des Bau-Booms mit 22% Arbeitslosigkeit eines der besonders von der Krise betroffenen Länder. Zapateros Sparpolitik auf Kosten des Sozialstaats hat die Wähler von der Partei entfremdet. Anstelle eines eigenen Ansatzes der Krisenbewältigung habe er sich äußerem Druck gebeugt:

Seit dem Frühjahr 2010 fungierte Zapatero quasi als Vollstrecker der Direktiven aus Berlin, Frankfurt und Brüssel oder plante in angstvoller Antizipation des nächsten Angriffs der Ratingagenturen weitere Sparpakete.

Die Krönung der Sparpolitik war eine Verfassungsänderung zur Schuldenbegrenzung. Darin zeige sich auch in Spanien, daß die europäische Sparpolitik die Konjunktur abwürge. Weiterlesen … »

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