Klima des Mißtrauens
Wie wird sich Afghanistan nach Abzug der westlichen Truppen entwickeln? Bislang herrscht eine Art Waffenstillstand zwischen der Nordallianz und der Regierung unter Hamid Karsai. Doch zwischen den Gouverneuren im Norden und der Regierung in Kabul herrscht ein Klima des Mißtrauens, wie Marc Thörner im Deutschlandfunk schildert. In diesem Sinne verläuft die Frontlinie nicht einfach zwischen Taliban und der Regierung, sondern vielmehr auch zwischen den Tadschiken und Usbeken im Norden und Paschtunen im Süden und Osten. Karsai geht auf die Taliban zu, da er sich von der Neuauflage der Nordallianz unter Druck gesetzt fühlt und neue Bündnispartner benötigt. Somit nähert er sich auch Pakistan an. Zugleich soll aber die Afghanische Nationalarmee nicht eine ethnisch dominierte Truppe sein. Um diese Widersprüche herum dreht sich die Frage, ob eine Neuauflage des afghanischen Bürgerkriegs folgen wird oder ein Kompromiß zwischen den Parteien doch möglich ist. Diese planen zumindest für die Zeit nach dem Abzug der ISAF.
Wunsch contra Realität
Jürgen Wagner analysiert die Lage in Afghanistan anläßlich der jüngsten internationalen Konferenz dazu in Bonn. Er kommt dabei zu dem Schluss, dass das von Politikern und Medien gezeichnete Bild sich keineswegs mit der Realität deckt. Das beginnt schon bei den bloßen Ergebnissen der Tagung. Von einem vollständigen Abzug der westlichen Truppen im Jahr 2014 könne keine Rede sein. Vielmehr werden mehrere zehntausend Soldaten auch danach noch dort bleiben - als Ausbilder, aber auch mit Kampfaufträgen.
Vor allem aber habe der zehnjährige Einsatz die Lage vor Ort nicht verbessert. In allen relevanten Bereichen sei kaum etwas erreicht worden, in vielen gebe es sogar dramatische Verschlechterungen. Weder sei Afghanistan heute demokratisch, noch wohlhabender oder friedlicher. Weiterlesen … »
Viele Optionen, wenig Hoffnung
Seit Juli beginnt die stufenweise Übertragung der Sicherheitsaufgaben im Land an die afghanische Regierung. 2014 soll dieser Prozess dann abgeschlossen sein und die ISAF sich zurückziehen. Citha Maaß und Thomas Ruttig stehen in ihrer Lageanalyse den optimistischen Erwartungen eher skeptisch gegenüber und stellen vier mögliche Entwicklungen dar. Weiterlesen … »
Zwei Türme verloren
Der afghanische Präsident Hamid Karsai verlor innerhalb weniger Tage zwei der wichtigsten Figuren in seinem Machtnetzwerk: Sowohl sein Halbbruder Ahmed Wali Karsai, der über Kandahar im Süden herrschte, als auch Dschan Mohammed Khan, der die benachbarte Provinz Urusgan kontrollierte, fielen Mordanschlägen in Kabul zum Opfer. Bereits Ende Juni gelang den Aufständischen ein Angriff auf das Intercontinental in Kabul. Damit ist deutlich geworden, daß die Regierung nicht einmal in der Hauptstadt die Kontrolle ausübt. Die amerikanischen Pläne für eine geordnete Machtübergabe sind somit völlig in Frage gestellt. Weiterlesen … »
Auf dem Schachbrett
Authentische Berichterstattung und Wissen über Zusammenhänge von Kriegen hängen oft von wenigen Journalisten vor Ort ab, die sich von Einschüchterung, Desinformation und Gefahren nicht schrecken lassen. Zu diesen zählen Marc Thörner und Ashwin Raman. Marc Thörner hat in seinen Hörfunk-Reportagen ein detaillierteres und anderes Bild des Afghanistan-Kriegs gezeichnet als gemeinhin bekannt. In seinem aktuellen Beitrag skizziert er das komplexe Ränkespiel der Kriegsfürsten: Da die ehemalige Nordallianz sich gegen den Präsidenten Karsai verschworen hat, sucht dieser ein Bündnis mit dem Al Qaida-Gespielen Gulbuddin Hekmatyar, welchem auch Verbindungen zum pakistanischen Nachrichtendienst ISI nachgesagt werden; diese Allianz soll durch eine scheinbare Spaltung von Hekmatyars Partei verschleiert werden.
Damit zeichnet sich immer deutlicher ab: Was in Afghanistan stattfindet, ist offenbar kein Krieg gegen den Terror, sondern längst eine Neuauflage des afghanischen Bürgerkriegs.
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Alte Pläne, alte Freunde
In Afghanistan wird weiter ein blutiger Konflikt ausgetragen – und manche Überläufer schließen sich wegen enttäuschter Hoffnungen erneut den Taliban an. Zudem verlieren die westlichen Truppen nun auch im Norden die Kontrolle über zahlreiche Dörfer.
Trotz dieser schlechten Gesamtlage sollen die in den 90er Jahren diskutierten Pläne einer Pipeline von Turkmenistan über Afghanistan an die pakistanische Küste zeitnah umgesetzt werden. 1997 hatte der – heute zu Chevron gehörende – US-Konzern Unocal bereits ergebnislos mit den Taliban verhandelt. Berater der amerikanischen Firma war übrigens ein gewisser Hamid Karsai, heute Präsident des Landes.
Schneller Erfolg, langfristiges Scheitern
Die Auseinandersetzung um die Zukunft Afghanistans geht diesen Sommer mit einer großangelegten Offensive in eine entscheidene Phase. Wenn das amerikanische Militär um die Zustimmung der Bevölkerung kämpft, ist dieser Kampf bereits verloren. Dies ist zumindest der Eindruck, den Stephen Grey in einer Reportage aus Kandahar in der Le Monde dipomatique erzeugt.
»Kandahar ist in den Händen von Leuten, die Drogenhandel betreiben, die Waffen haben und vom Ausland unterstützt werden,« so eine lokale Stimme. Die Taliban seien teils auch als
Abwehr gegen korrupte Eliten und Warlords entstanden, die schon mit den sowjetischen Besatzern kooperierten, und genießen daher Rückhalt in der Bevölkerung. Auch die Bewaffnung von Milizen (LDI, locale defense intiative) führe zu Übergriffen, die Teile der Bevölkerung gegen die Ausländer aufbringe. Weiterlesen … »
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