Presseschau Justiz

Stiefel im Dreck

Wie der Kampf gegen Korruption in Italien scheiterte
Silvio Berlusconi und sein Lehrmeister Bettino Craxi <br/>Foto von Hytok
Silvio Berlusconi und sein Lehrmeister Bettino Craxi Foto von Hytok

Mit dem Zusammenbruch des Parteiensystems in Italien zu Beginn der 90er Jahre gab es Hoffnungen auf einen Neuanfang: Unter dem Motto Mani Pulite (Saubere Hände) bekämpften Richter und Staatsanwälte Korruption und Filz. Doch dieser Versuch kann mittlerweile als gescheitert angesehen werden. Nicht zuletzt dank der Regierung Silvio Berlusconis, die mit zahlreichen Gesetzen die Justiz bekämpft, indem vormalige Straftaten legalisiert wurden. Diese Gesetzesänderungen wurden auch von der linken Regierung nicht zurückgenommen.

Auch wenn wenig Hoffnung auf Reformen besteht, sehen einige das Ende des aktuellen politischen Systems kommen, ähnlich wie vor 20 Jahren. Doch auch Berlusconi kam nicht aus der Wüste, sondern knüpfte an politische Lehrmeister wie Bettino Craxi an.

Die Früchte des vergifteten Baumes

Wie das Grundgesetz auf die Streckbank kam
Geeigneter Ort für eine Streckbank: Im Museum <br/>Foto von Wugging Gavagai
Geeigneter Ort für eine Streckbank: Im Museum Foto von Wugging Gavagai

Wolfgang Wetzel blickt auf das Verfahren gegen den ehemaligen Vize-Polizeipräsidenten Frankfurts Wolfgang Daschner zurück. Er hatte dem Entführer und Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler mit Folter gedroht und somit gegen das Grundgesetz verstoßen. Dies wurde als einsame Entscheidung in einer Notsituation verkauft; doch Wetzel verdeutlicht, daß das Vorgehen mit der hessischen Landesregierung abgestimmt war: Daschner stand in ständigem Kontakt mit dem Innenministerium, das vom zukünftigen hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier geleitet wurde. Wetzel meint, daß gerade die Androhung Daschners, seine Hintermänner zu nennen, zu einem milden Urteil geführt habe. Er analysiert die Debatte in den deutschen Medien; der Fall sei der Versuch gewesen, Aussageerpressung in Deutschland wieder hoffähig zu machen.

Zahlreiche Rechtsgelehrte, Wissenschaftler und sonstige Experten machten sich in der Folge daran, Folter als rechtstauglich darzustellen.

Wahrheitsfindung im Rampenlicht

Haben die Medien Jörg Tauss vorverurteilt?

Bettina Winsemann hat auf Telepolis den Prozess wegen des Besitzes von Kinderpornographie gegen den ehemaligen SPD-Abgeordneten Jörg Tauss untersucht, und viel fragwürdiges gefunden. Dazu zählt die suggestive Berichterstattung vieler Medien, die einer Vorverurteilung gleiche und auf den Prozess Einfluß genommen habe:

Es bleibt zu hoffen, dass die im Netz laut gewordene Kritik an der Art, wie Hausdurchsuchungen, Verhaftungen etc. immer stärker im TV-Serien-Stil choreografiert werden, sich nicht nur auf die »Causa Tauss« beschränkt, sondern allgemeingültig formuliert wird. Denn immer öfter agieren Staatsanwaltschaften und Medien wie Regisseure und Produzenten von Liveübertragungen, sind bei Hausdurchsuchungen vor Ort, sorgen für oft einseitige Berichterstattung und demzufolge auch für Sym- oder Antipathie gegenüber den Betroffenen.

Aber auch das Urteil selbst sei fragwürdig, da Journalisten aufgrund »beruflicher Pflichten« in Besitz des Material kommen dürften, Abgeordente dagegen nicht.

Tropfen für Tropfen

Neue Details um den Verkauf französischer U-Boote an Pakistan bringen Nicolas Sarkozy in Verbindung mit Schmiergeldzahlungen
Ironisches Filmplakat zu "Karachigate"
Ironisches Filmplakat zu "Karachigate" Bild von blogcpolitic

Die Parteien- und Wahlkampffinanzierung hat in Frankreich immer wieder zu Skandalen geführt: Gelder nahmen dabei oft abenteurliche Wege. Häufig waren staatsnahe Rüstungs- und Rohstoffkonzerne beteiligt, die Regierungen in korruptionsaffinen Ländern für Aufträge bestachen. Von diesem Geld flossen dann Provisionen zurück nach Frankreich. Der Ölkonzern Elf Aquitaine wurde beispielsweise für solche Geschäfte genutzt.

Nun vermuten Pariser Ermittlungsrichter 1 solche »Kickback«-Geschäfte auch beim Verkauf 2 von U-Booten der Agosta-Klasse an Pakistan.  Schmiergeldzahlungen sollen nach Pakistan und zurück nach Frankreich geflossen sein. Nach dem Verbot von Schmiergeldzahlungen durch den Präsidenten Jacques Chirac wurde bei einem Anschlag 2002 eine Gruppe von französischen Ingenieuren getötet, die für den Bau der U-Boote verantwortlich waren. Der Ermittlungsrichter Marc Trévidic erkennt darin einen Racheakt des pakistanischen Militärs für ausbleibende Schmiergelder.

Schattenwelt

Zur Lage der Menschenrechte

Der Jahresbericht von Amnesty International erinnert daran, daß die Achtung der Menschenrechte in unserer Welt weiterhin eher die Ausnahme denn die Regel darstellt. In 111 Staaten gebe es Folter und Mißhandlungen. Besonders herausgehoben wurden Afghanistan und Sri Lanka. Auf dem Inselstaat starben im Bürgerkrieg zuletzt bis zu 20.000 Menschen, ohne daß dies zu größeren Protesten führte. Aber auch Länder wie Deutschland achteten die Menschenrechte nicht, wenn sie in Folterstaaten abschieben und sich dabei auf diplomatische Zusicherungen der Regierungen verließen.

Der UNO-Sonderberichterstatter Manfred Nowak hat zudem ein Dossier zu Geheimgefängnissen (»Secret Detention«) verfasst, die unter dem Mantel der Terrorismusbekämpfung eingericht wurden. Solche Gefängnisse gebe es in 66 Staaten der UNO. Rußland und Pakistan haben laut taz vergeblich versucht, den Bericht von der Seite des Sonderberichterstatters entfernen zu lassen.

Schatten in der Dunkelkammer

Die Hedge Fonds fürchten um ihre Pfründe
Proteste im Finanzdistrikt bei der G20 2009 <br/>Foto von Subterranean Tourist Board
Proteste im Finanzdistrikt bei der G20 2009 Foto von Subterranean Tourist Board

Die City of London ist der Ort, an dem viele Hedge Fonds ihre Einlagen handeln, während ihr Sitz in Steueroasen ist. Bisher sind Regulierungen und Transparenzgebote an deren Widerstand und Einfluß gescheitert. Doch die Vorhaben der Regierungen auf dem Kontinent in Paris und Berlin lassen die Fonds befürchten, ihr »Agieren im Dunkeln« könne ein Ende haben, wie die Financial Times Deutschland berichtet. Der Londoner Finanzmarkt hat bisher einen bedeutenden Anteil des Bruttoinlandsprodukts und somit der Steuern in Großbritannien erwirtschaftet. Diesen Hebel wollen sie einsetzen, um in London Druck auszuüben.

Die größte Bedrohung für Londons Finanzzentrum ist nicht die Krise selbst, es ist die Welle der Regulierung, die als Antwort darauf von allen Seiten auf uns zurollt.

–  Anthony Browne, Leiter der Abteilung für wirtschaftliche Entwicklung des Londoner Bürgermeisters Boris Johnson

Russisches Scherbengericht

Wie Russlands Justiz politisch gesteuert wird

Regelmäßig gerät Russlands rechtliche Verfassung in die Schlagzeilen, häufig dann, wenn Unrecht an wichtigen Figuren wie etwa Wirtschaftsbossen oder Journalisten sichtbar wird. Dabei leidet die russische Justiz, entgegen der verbreiteten Meinung, hauptsächlich aber nicht an Korruption, sondern an Konstruktionsfehlern im juristischen System selbst. Weiterlesen … »

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