Außer Kontrolle
Ließe man die Rolle des Verfassungsschutzes bei dem Skandal um den NSU-Komplex außer Acht, so sind bereits die Versäumnisse der Fahndung durch die Polizei kolossal. So fand die Polizei 1998 in der vom Zwickauer Trio zur Bombenbauwerkstatt umfunktionierten Garage in Jena ein Adressbuch, das zum Umfeld der Gruppe in ihrem Versteck in Chemnitz sowie nach Nürnberg, dem ersten Tatort der Mordserie, führte. Mit einem der eingetragenen Kontakte soll Beate Zschäpe nach dem Abtauchen des Trios gar kurzzeitig liiert gewesen sein, doch diese vielsagende Kartei wurde als irrelevant eingeschätzt. Ebensowenig wurde ein 2000 bei eben diesem Mann beschlagnahmtes Adressbuch genutzt, in dem die Namen des Zwickauer Trios inklusive Umfeld eingetragen waren. Bei dem Bombenanschlag in Köln 2004 hätte schlicht der Abgleich einer Tatmitteldatei, also die Prüfung des verwendeten Sprengsatzes, die Namen des Zwickauer Trios ausgespuckt. Und bei der Ermordung der Polizistin Michelle Kiesewetter 2007 in Heilbronn wurde die Überprüfung der bei der Ringfahndung notierten Kennzeichen unterlassen, unter denen sich offenbar das Wohnmobil der Gruppe befand. Weiterlesen … »
Rechter Hickhack
Der amtierende Präsident Frankreichs rückt im Wahlkampf deutlich nach rechts. Zwar hat Sarkozy seine erneute Kadidatur für die Wahl im April noch immer nicht offiziell verkündet, aber das ist wohl eher eine Formalität. Schon jetzt versucht er mit antiliberalen Forderungen zu punkten, indem er sich gegen die Homo-Ehe positioniert. Außerdem soll die Abschiebung illegaler Immigranten erleichtert und der Druck auf Arbeitslose erhöht werden. Der Grund dieses Kurses dürfte nicht zuletzt in den schwachen Umfragewerten zu suchen sein, zumal die Kandidatin der rechten Front National, Marine Le Pen, nur knapp hinter ihm liegt und sich wiederum weniger radikal als einst ihr Vater gibt. Vorne liegt seit längerem der Sozialist Hollande. Er will Steuererhöhungen für Reiche, mehr Geld für Bildung, die starke Abhängigkeit von der Atomkraft deutlich verringern und zahlreiche Meiler abschalten.
Kratzen an der Oberfläche
Simon Johnson ist Chefökonom des IWF und damit einer der einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftler überhaupt. In der FTD vertritt er die Meinung, Bankmanager sollten nicht nur hohe Gehälter und Boni einstreichen, sondern im Falle des Scheiterns auch zur Verantwortung gezogen werden - sprich: für die Schäden mithaften. Das sei momentan aber nicht so. Ungeachtet der großen Summen, die Staaten in den Finanzsektor gepumpt haben, sind derartige Regelungen bisher nicht in Kraft getreten. Und das trotz der fatalen Folgen für Millionen »normale« Bürger.
Kommentar
Sicherlich hat Johnson in diesem Punkt recht. Nur: Die Vergütung der Manager ist allenfalls ein sekundäres Problem. Sicher, sie heizt die Spekulation an, schafft falsche Anreize für überhöhte Risiken. Aber der Kern der Finanzkrise liegt woanders: In der extrem ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung. Sie liefert überhaupt erst die Gelder, um Spekulationsblasen entstehen zu lassen, schwächt die Nachfrage nach Konsumgütern und schließt viele Menschen von der sozialen Teilhabe aus. Eine strenge staatliche Regulierung der Vergütungspraxis wäre also wünschenswert, kann aber nur ein Mosaiksteinchen innerhalb eines umfassenderen Umbaus der Wirtschaft sein.
Gelbe Gefahr
Nicht zuletzt der relativ knapp gescheiterte Mitgliederentscheid zur Eurorettung in der FDP hat gezeigt, dass das liberale Lager im Land in Unruhe geraten ist. Aus linksliberaler Richtung droht Konkurrenz von den Piraten - und rechts entwickelt sich eine neue Alternative: die Freien Wähler. Dabei ist diese keineswegs neu, sondern schon seit Jahrzehnten aktiv. Das allerdings bisher nur in der Kommunalpolitik, wo sie fest verwurzelt ist. Hubert Aiwanger, ihr Chef, versucht sich nun an einer strategischen Neuausrichtung: Hinein in die Parlamente auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene. Dazu will er auch bekannte Köpfe gewinnen, gerade ist der Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel eingetreten, möglicherweise folgt ihm bald Paul Kirchhof.
Nicht zuletzt bedingt durch den weitgehend dezentralen Aufbau ist das inhaltliche Profil der FW nicht genau zu bestimmen, Aiwanger selbst bezeichnet sie als liberal-konservativ. Die eigentliche Partei umfasst etwa 5.000 Mitglieder, die Vereinigungen insgesamt, die mit der Partei nur recht lose verbunden sind, aber 280.000. Allerdings hat sich der starke Landesverband Baden-Württemberg wegen der Neuorientierung von der Parteigründung klar distanziert. Weiterlesen … »
Konfusionen und Interessen
Die Kommentatoren beschäftigten sich aus zwei Gründen mit den jüngsten Entscheidungen: Zum einen wegen der beschlossenen Fiskalunion, zum anderen wegen des Neins der Briten. Die neuen Regeln werden dabei weitgehend positiv bewertet, etwa von Spiegel Online – die FTD dagegen glaubt, sie seien zwar richtig, aber nicht nachhaltig genug. Die FAZ weist darauf hin, dass sie weitaus gravierender sein werden, als bislang bekundet – denn die Finanzpolitik habe entscheidende Bedeutung.
Großbritanniens Sonderpolitik wird dagegen eher skeptisch aufgenommen. Der Tenor lautet herbei, das Land wäre zwar grundsätzlich willkommen in der EU, nicht aber mit seiner permanenten Blockadehaltung. Nur in Teilen wird darauf verwiesen, Camerons Haltung sei der Londoner Finanzbranche geschuldet. Und das, obwohl selbst Außenminister William Hague explizit darauf verwiesen hat, wie die Tagesschau zitiert. Die junge Welt erklärt das britische Unbehagen so: Die Banken der Londoner City würden penibel auf ihre unregulierte Sonderrolle achten, die Industrie dagegen habe jenseits des Kanals schon lange ihre Bedeutung verloren. Deshalb könne man auf den europäischen Absatzmarkt für deren Produkte eher verzichten als auf die liberale Politik gegenüber der Finanzbranche. Weiterlesen … »
Angst vor dem Monopol
Der größte Buchhändler der Welt begann bereits 2009 damit, selbst Bücher herauszubringen. Auch gestützt auf seinen firmeneigenen E-Book-Reader Kindle soll dieses Geschäft offenbar deutlich ausgeweitet werden. Zuletzt gelang die Verpflichtung einiger bekannter Autoren, weitere sollen folgen. Für einige Autoren mag das durchaus verlockend sein; finanziell, aber auch, weil sie schon allein aus Kostengründen mehr inhaltliche Freiheiten haben als in einem klassischen Verlag. Das Lektorat fällt hier nämlich weniger gründlich aus. Weiterlesen … »
Unklare Wut
In 78 Ländern und über 900 Städten gehen Menschen heute auf die Straße. Sie eint die Empörung über die Macht und den Egoismus der Finanzbranche. Darüber hinaus ist immer wieder zu hören, im Zentrum der Politik sollten die Interessen der großen Mehrheit stehen, nicht jene der »oberen Zehntausend«.
Zu diesem Zweck werden Demonstrationen, Platzbesetzungen und ähnliches veranstaltet. Wie viele sich an den Protesten letztlich direkt beteiligen, ist noch nicht ganz absehbar. Es werden voraussichtlich allein in Deutschland mehrere Tausend sein. Weiterlesen … »
- von 4
- nächste ›
- letzte Seite »