Presseschau Staat

Investitionsschutz oder Demokratie?

Ein Fall aus der Praxis

Petra Pinzler zeigt an einem konkreten Beispiel, wie sich der internationale Investitionsschutz auswirken kann. Es handelt sich dabei um eine juristische Institution, die auch im derzeit verhandelten transatlantischen Handelsabkommen TTIP verankert werden soll.

Ein Washingtoner Schiedsgericht hatte den rumänischen Staat auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 250 Millionen Dollar an die Unternehmerfamilie Micula verurteilt. Ausgangspunkt des Konflikts war die Tatsache, dass Rumänien beim EU-Beitritt Subventionszahlungen an die Miculas einstellte, weil diese mit EU-Recht nicht vereinbar sind. Die Unternehmer argumentierten daraufhin, dass sie ihre Investitionen in Rumänien unter der Voraussetzung weiter sprudelnder Subventionen getätigt hätten, ihnen also erhebliche Profite entgangen seien.

Mit anderen Worten: Das Recht eines privaten Investors auf Profit wurde vom Schiedsgericht letztlich höher eingeschätzt als die durch demokratische Wahlen legitimierte Entscheidung der Regierung, in die EU einzutreten. Eine ähnliche Konstellation droht übrigens auch in Deutschland. Hier hat der Vattenfall-Konzern den Staat auf 4,7 Mrd. Euro Schadensersatz verklagt, da ihm durch den Atomausstieg eine entsprechende Summe an Gewinnen entgehe.

Olympia - Fluch oder Segen?

Zu den deutschen Bewerbungen um die Sommerspiele

Aktuell bringen sich Hamburg und Berlin in Stellung für eine mögliche Kandidatur als Ausrichter der olympischen Sommerspiele 2024 oder 2028. Noch sind weder die konkreten Vorgaben des IOC noch die Details der Bewerbungen fix. Aber einige Eckdaten sind verfügbar und die Fronten der Befürworter wie Kritiker formieren sich bereits.

Nach dem krachenden Nein der Wähler in München und Umland bezüglich der Winterspiele 2022 ist klar, dass der Frage der Bürgerbeteiligung wie überhaupt der Akzeptanz durch die Bevölkerung eine wichtige Rolle zukommt. Auch die Bewerbung Berlins für die Spiele 2000 scheiterte nicht zuletzt am mangelnden Rückhalt. Tatsache ist, dass sich bereits wieder ein breiter Widerstand gegen die Spiele in Berlin zusammenfindet.

Eng damit zusammenhängend ist die Frage der Kosten eines solchen Megaevents. Gut zwei Milliarden Euro veranschlagen beide Städte dafür. Allerdings gilt das nur für den Bau der Wettkampfstätten, die eigentliche Durchführung, Sicherheitsvorkehrungen, das olympische Dorf u. a. m. sind hier ausdrücklich noch nicht enthalten. Die Erfahrungen bisheriger Spiele zeigen jedoch, dass noch nie die ursprünglichen Budgets eingehalten werden konnten. Vielmehr haben sich die Kosten im Durchschnitt fast verdreifacht. Wobei sich der IOC dank seiner Verträge hier schadlos hält, die Gelder also von den Gastgebern aufgebracht werden müssen. Allerdings ist hoch umstritten, inwiefern diesen ausufernden Kosten positive Effekte gegenüberzustellen sind, beispielsweise im Tourismus. Viele dieser Auswirkungen sind schlicht nicht genau zu bestimmen - und damit auch kaum seriös zu diskutieren.

»diszipliniert und bestraft«

Die Arbeitslosenverwaltung - eine Bestandsaufnahme

Für den Deutschlandfunk hat Reiner Scholz Betroffene, Behörden und Kritiker der deutschen Arbeitslosenverwaltung zu ihrer Meinung befragt. Herausgekommen ist dabei eine durchaus differenzierte Bestandsaufnahme. Von der Angst um die bloße Existenz ist die Rede, aber auch von Behördenwillkür, überlasteten Mitarbeitern und mangelnden Perspektiven. Etwa zehn Jahre nach der Einführung der sog. Hartz-Gesetze ist jedenfalls klar, dass die Reform daran gescheitert ist, Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen. Selbst Peter Hartz meinte schon 2007: »Herausgekommen ist ein System, in dem die Arbeitslosen diszipliniert und bestraft werden.« Man mag sich freilich darüber streiten, ob nicht genau das - und eben nicht die Hilfe für die Erwerbslosen - der eigentliche Zweck der Neurordnung war.

Von Mietern und Maklern

Eine Reportage

Gentrifizierung, Sanierungen, Zwangsräumungen und andere Begriffe sind mittlerweile in Berlin in aller Munde. Was das konkret bedeutet, wie individuelle Lebenslagen damit verknüpft sind, das zeigt sehr anschaulich eine Reportage der ARD. Sie beleuchtet dabei verschiedene Aspekte des Immobilienmarkts und lässt ganz unterschiedliche Akteure mit ihren Ansichten zu Wort kommen - betroffene Mieter und Anwohner ebenso wie Makler und Investoren sowie Wissenschaftler und Politiker. So entsteht ein differenziertes, facettenreiches Bild einer dynamischen Entwicklung, die letztlich jeden Berliner betrifft.

Schottische Unabhängigkeit - wozu?

Ein Diskussionsbeitrag

Im September steht das Referendum über die schottische Unabhängigkeit an. Der Befürworter Neal Ascherson zählt eine Reihe von Gründen auf, die dafür sprechen. So glaubt er beispielsweise, soziale Errungenschaften in einem schottischen Staat besser schützen zu können. Außerdem argumentiert Ascherson, die Befürworter seien vielfach eher von Labour enttäuschte Wähler als wirkliche Unterstützer der nationalistischen SNP. Und schließlich wäre mit der Unabhängigkeit ein Verbleib in der EU sicherer - ein gerade in Zeiten der europäischen Krise vielleicht überraschendes Argument. Insgesamt ein sicher kontroverser, aber doch lohnender Text über ein in Deutschland wenig wahrgenommenes Phänomen.

Towards a Great Society?

Zum 50. Jahrestag von Lyndon B. Johnsons Reformrede

Es gehört nach wie vor zu den ambitioniertesten Reformprogrammen der US-Geschichte: Lyndon B. Johnsons Konzept einer »Great Society«. Vor 50 Jahren kündigte er es anlässlich einer Rede vor Studenten an. Karen Tumulty nimmt das zum Anlass, einen Blick zurück zu verbinden mit der Frage, welche Rolle die damaligen Reformen heute noch spielen. Herausgekommen ist ein lesenswerter Text, der viele der seinerzeit Involvierten zu Wort kommen lässt.

Im Kern ging es Johnson darum, den nie dagewesenen Wohlstand seines Landes allen zugute kommen zu lassen. Und, damit eng verbunden, um eine progressive Öffnung der Gesellschaft und Integration derjenigen, die bislang am Rande standen. Ob er mit seinem »War on Poverty« letztlich Erfolg hatte, war und ist heftig umstritten. Manche Teile seiner Reformen wurden schon nach kurzem eingestellt, andere bestehen noch immer. Sie veränderten aber - und das ist unumstritten - die Rolle des Staates in Gesellschaft und Wirtschaft. Von Programmen zur Neugestaltung der Städte über eine Bildungsreform bis hin zu ausgeweiteten Bürgerrechten reichten die Maßnahmen im Einzelnen. Etwa 200 Gesetze umfasste die Great Society insgesamt.

Stromdumping

Gabriels Pläne auf dem Prüfstand

Thorsten Hild hat die Pläne der Bundesregierung zur Neugestaltung der Energiewende analysiert. Seiner Einschätzung nach beruhen sie nicht nur auf falschen Voraussetzungen, sondern gefährden auch die wirtschaftliche Prosperität in Europa. Hild kritisiert beispielsweise die Milchmädchenrechnung, statt anteiliger Energiekosten der Unternehmen die absoluten Stromkosten als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Problematischer scheint ihm aber noch zu sein, dass durch die dauerhafte Gewährung der Rabatte der Anreiz für die Unternehmen, in Energieeffizienz zu investieren, verloren gehe. Schließlich droht die privilegierte Behandlung deutscher Unternehmen, den europäischen Konkurrenten einen ungerechtfertigten Wettbewerbsnachteil zu verschaffen.

Inhalt abgleichen