Sparen gegen die Bürger
Die Regierung Papandreou hat eine neue Sparrunde eingeleitet: 78 Mrd. Euro sollen durch Kürzungen bei Sozialleistungen und Gehältern, aber auch durch Privatisierungen zusammenkommen. Das geschieht auch vor dem Hintergrund der internationalen Hilfskredite an Griechenland, die an derartige Einschnitte gekoppelt sind. Innerhalb der Regierungspartei PASOK gibt es erste Abgeordnete, die den Sparkurs nicht mittragen wollen.
Die Bevölkerung formiert sich zunehmend zum Widerstand gegen diese Politik. Interessanterweise haben sich offenbar die Gewerkschaften und die sogenannten »Indignados« nun zusammengeschlossen. Bisher agierten sie weitgehend unkoordiniert. Demonstrationen und Streiks in staatlichen Behörden und Banken sind der sichtbarste Ausdruck dieser Protestwelle. Daneben wird versucht, das Parlamentsgebäude zu blockieren – und es kam auch zu Gewalt zwischen Demonstranten und rechtsradikalen Gruppen.
Widerstand der Gleichen
Heike Schrader hat sich in Athen umgesehen und festgestellt: Die Protestbewegung hier ist durchaus heterogen in ihren Ansichten und Zielen. Einig ist man sich aber im Widerstand gegen die etablierte Politik, selbst die Oppositionsparteien werden hier distanziert betrachtet.
Gleichzeitig gibt es Ansätze zu einer basisdemokratischen Organisation: Zahlreiche Arbeitsgruppen erstellen Vorschläge, die dann von einer Vollversammlung beraten werden. Dabei gibt es klare Regeln, die gleiche Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten für alle sichern sollen. Zudem legt man Wert auf Transparenz der Entscheidungen: Sie werden alle im Netz veröffentlicht.
Demokratie auf dem Seziertisch
Am 21. Januar 2010 hob der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten die Begrenzung dafür auf, wie viel Unternehmen für Wahlwerbung ausgeben dürfen. Begründet wurde das mit dem ersten Zusatzartikel der Verfassung, der Meinungsfreiheit garantiert, die auch für Unternehmen gelte. Unternehmen werden also in dieser Hinsicht mit Personen gleichgesetzt. Diese richterliche Entscheidung ist stark umstritten. Weiterlesen … »
Falscher Fokus
Der syrische Präsident Bashaar Al-Assad setzt die Politik seines Vaters Hafiz fort, meint Patrick Seale in der aktuellen Le Monde diplomatique. Dazu gehört die Fixierung auf die außenpolitische Rolle des Staates, eine komplexe Konstellation aus Gegnern und Allianzen in der Region. Seine Herrschaftsclique habe damit gerechnet, daß diese eigenständige Politik Syrien vor inneren Unruhen bewahre. Diese Einschätzung zeige sich nun als »großer Irrtum«. Zwar haben viele Protestler durchaus gehofft, daß Bashaar ein Katalysator des Wandels werden kann, doch in der Machtclique um die Assad-Familie seien substantielle Zugeständnisse an die Protestbewegung nicht durchzusetzen. Weiterlesen … »
Am Tor zur Sonne
Gerade der Süden Europas ist von der Eurokrise schwer getroffen. Neben Griechenland und Portugal leiden auch Spanien und Italien unter strukturellen Problemen. Insofern ist es wenig erstaunlich, wenn Proteste ausbrechen, die sich in Symbolik und an Radikalität an den Aufständen auf der anderen Seite des Mittelmeeres orientieren. Eine solche Entwicklung zeichnet sich nun in Spanien ab, wo Tausende vor allem junge Menschen den Puerta del Sol-Platz besetzt halten. Die Demonstranten kritisieren die hohe Jugendarbeitslosigkeit, stellen aber auch das politische System in Frage. Ralf Streck sieht auf Telepolis jedoch in den Protesten keine reine Jugendbewegung, sondern einen gesamtgesellschaftlichen Unmut. Er rechnet mit einem Übergreifen der am Sonntag gestarteten Bewegung auf das benachbarte Portugal, wo Demonstrationen bereits den Ministerpräsidenten zum Rücktritt zwangen. In den deutschen Massenmedien ist, darauf weist der Blog le bohémien hin, der Protest bislang verschlafen worden. Auf der Seite findet sich auch ein Nachrichten-Ticker.
»Schonungslose Unterdrückung«
Gerhard Feldbauer schaut zurück auf die politischen Stellungnahmen des Vatikans in den letzten 140 Jahren. Dabei kommt manches fragwürdige Verhalten zum Vorschein: Von der Bekämpfung der Arbeiterbewegung über die enge Kooperation mit dem italienischen, spanischen und deutschen Faschismus bis hin zu aktuellen Würdigungen extrem rechtslastiger Personen und Organisationen. So wird deutlich, wie die Kirche über viele Jahre hinweg und in den unterschiedlichsten politischen Systemen doch ihrer Grundlinie treu geblieben ist – einer entschiedenen Fronstellung gegen jede Spielart des Sozialismus und einer konsequenten Stützung der jeweiligen staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung.
Der Stift ist mächtiger als das Schwert
Was macht Widerstandsbewegungen gegen Regierungen erfolgreich? Was schadet ihnen? Dieser Frage gingen die Politikwissenschaftlerinnen Erica Chenoweth und Maria J. Stephan nach. Sie untersuchten 323 Aufstände zwischen 1900 und 2006 und kamen zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der gewaltlosen Rebellionen erfolgreich waren, aber nur ein Viertel der gewalttätigen.
Dass gewaltfreie Aufstände viel eher erfolgversprechend sind, erklären sie zum einen damit, dass die Gewaltlosigkeit zu höherer Legitimität und somit zu viel breiterer Unterstützung in der Bevölkerung führt. Das würde die Fläche, über die Druck auf das Regime ausgeübt werden kann, erhöhen, außerdem lässt es sich viel leichter an Demonstrationen teilnehmen als bewaffnet in den Kampf zu ziehen, da man nicht seinen Job aufgeben, seine Familie verlassen oder jemanden töten müsse. Zum anderen legitimiert gewalttätiger Widerstand auch gewalttätige Niederschlagung. Die gewalttätige Niederschlagung eines friedlichen Aufstands hingegen untergräbt die Autorität des Regimes weiter. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden im August in dem Buch Why Civil Resistance Works: The Strategic Logic of Nonviolent Conflict veröffentlicht. Einen Ausschnitt gibt es hier zu lesen.