Vorwahl in der Wahlmonarchie
Der für seinen brüsken Stil bekannte französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy ist mittlerweile derart unbeliebt, daß die Sozialisten hoffen, ihn bei den kommenden Wahlen aus dem Élysée-Palast zu spülen: Unklar ist bislang noch, wer der zweite sozialistische Präsident nach François Mitterrand werden soll. Dafür wird nun nach amerikanischen Vorbild eine Vorwahl (»Les Primaires«) abgehalten. Ursula Welter stellt im Deutschlandfunk das Verfahren und die Kandidaten vor. Nach dem peinlichen Skandal um Dominique Strauß-Kahn gilt Francois Hollande, der geschiedene Ehemann der vormaligen Präsidentschaftkandidatin Ségolène Royal, als Favorit. Seine schärfste Konkurrentin ist Martine Aubry, welche eher dem linken Lager zugerechnet wird. Wichtige Themen sind die Schuldenpolitik und die Jugendarbeitslosigkeit. Die Mehrheit der Kandidaten lehnt eine Schuldenbremse nach deutschen Vorbild ab und setzt auf eine aktivere Wirtschaftspolitik.
Gesellschaft gegen Staat
Die erste Protestwelle gegen die soziale Lage in Spanien ebbt ab, in Griechenland hat sich dagegen eine Vielfalt von Protestformen entwickelt. Die erzwungenen Sparmaßnahmen haben zu einer Wirtschaftskrise und einer spürbar gesunkenen Nachfrage geführt, so daß viele Geschäfte zur Aufgabe gezwungen sind. Ähnlich wie bei der Finanzkrise in Argentinien von 10 Jahren werden verschiedene Formen zivilen Ungehorsams erprobt: Dazu zählt die Verweigerung von Verkehrsgebühren, aber auch die Übernahme geschlossener Betriebe durch die Arbeitnehmer. Die breite Unterstützung des Widerstands gegen die Sparmaßnahmen zeigen eine tiefe Kluft zwischen Bevölkerung und Regierung auf. Weiterlesen … »
Sparen gegen die Bürger
Die Regierung Papandreou hat eine neue Sparrunde eingeleitet: 78 Mrd. Euro sollen durch Kürzungen bei Sozialleistungen und Gehältern, aber auch durch Privatisierungen zusammenkommen. Das geschieht auch vor dem Hintergrund der internationalen Hilfskredite an Griechenland, die an derartige Einschnitte gekoppelt sind. Innerhalb der Regierungspartei PASOK gibt es erste Abgeordnete, die den Sparkurs nicht mittragen wollen.
Die Bevölkerung formiert sich zunehmend zum Widerstand gegen diese Politik. Interessanterweise haben sich offenbar die Gewerkschaften und die sogenannten »Indignados« nun zusammengeschlossen. Bisher agierten sie weitgehend unkoordiniert. Demonstrationen und Streiks in staatlichen Behörden und Banken sind der sichtbarste Ausdruck dieser Protestwelle. Daneben wird versucht, das Parlamentsgebäude zu blockieren – und es kam auch zu Gewalt zwischen Demonstranten und rechtsradikalen Gruppen.
Widerstand der Gleichen
Heike Schrader hat sich in Athen umgesehen und festgestellt: Die Protestbewegung hier ist durchaus heterogen in ihren Ansichten und Zielen. Einig ist man sich aber im Widerstand gegen die etablierte Politik, selbst die Oppositionsparteien werden hier distanziert betrachtet.
Gleichzeitig gibt es Ansätze zu einer basisdemokratischen Organisation: Zahlreiche Arbeitsgruppen erstellen Vorschläge, die dann von einer Vollversammlung beraten werden. Dabei gibt es klare Regeln, die gleiche Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten für alle sichern sollen. Zudem legt man Wert auf Transparenz der Entscheidungen: Sie werden alle im Netz veröffentlicht.
»Der letzte Warnschuss«
Unabhängig von der Frage, ob nun der IWF-Präsident Dominique Strauss-Kahn in New York eine sexuelle Straftat begangen hat, oder ob der Fall eine Intrige ist, kritisiert die Online-Zeitung Mediapart die politische Öffentlichkeit Frankreichs. Denn erstens haben die Medien das durchaus fragwürdige Sexualverhalten Strauss-Kahns heruntergespielt oder verschwiegen. Dieser habe ein Verhalten an den Tag gelegt, das nicht vom Recht auf Privatsphäre gedeckt ist, denn es handelte sich bei Vorfällen in der Vergangenheit nicht nur um Affären. Zweitens habe sich die Sozialistische Partei auf Betreiben einiger Publizisten unnötigerweise auf diese Person für die Präsidentschaftswahlen fixiert, obwohl sie programmatisch mehr zu bieten habe.
Seit drei Jahren wurde aufgrund des Umfragehochs und der DSK-Begeisterung einiger Kolumnisten alles daran gesetzt , die Präsidentschafts- Kandidatur des IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn als unentbehrlich zu präsentieren. […] Der Fall Strauss-Kahn ist der letzte Warnschuss für die Sozialisten, denen es bis jetzt nicht gelungen ist, der Herausforderung des Systems Sarkozy gerecht zu werden. Überhören sie ihn, dann trägt die Führung der Partei eine schwere Verantwortung für das Scheitern der Linken und für den Niedergang Frankreichs.