Presseschau Wirtschaft

Kratzen an der Oberfläche

Zur Kritik der Banker
Was steckt unter der Oberfläche?
Was steckt unter der Oberfläche? Bild von Wolf-Ulf Wulfrolf

Simon Johnson ist Chefökonom des IWF und damit einer der einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftler überhaupt. In der FTD vertritt er die Meinung, Bankmanager sollten nicht nur hohe Gehälter und Boni einstreichen, sondern im Falle des Scheiterns auch zur Verantwortung gezogen werden - sprich: für die Schäden mithaften. Das sei momentan aber nicht so. Ungeachtet der großen Summen, die Staaten in den Finanzsektor gepumpt haben, sind derartige Regelungen bisher nicht in Kraft getreten. Und das trotz der fatalen Folgen für Millionen »normale« Bürger.

Kommentar

Sicherlich hat Johnson in diesem Punkt recht. Nur: Die Vergütung der Manager ist allenfalls ein sekundäres Problem. Sicher, sie heizt die Spekulation an, schafft falsche Anreize für überhöhte Risiken. Aber der Kern der Finanzkrise liegt woanders: In der extrem ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung. Sie liefert überhaupt erst die Gelder, um Spekulationsblasen entstehen zu lassen, schwächt die Nachfrage nach Konsumgütern und schließt viele Menschen von der sozialen Teilhabe aus. Eine strenge staatliche Regulierung der Vergütungspraxis wäre also wünschenswert, kann aber nur ein Mosaiksteinchen innerhalb eines umfassenderen Umbaus der Wirtschaft sein.

Ein neuer Anlauf

Hat der Sozialismus eine Zukunft?
Ein neuer Anlauf
Bild von Jose Téllez

Heinz Dieterich ist ein radikaler Kritiker und so etwas wie ein Vordenker des »Sozialismus des 21. Jahrhunderts«. Bekannt wurde er vor allem durch seine Beratungstätigkeit für Hugo Chávez und andere linke Regierungen Südamerikas. Mittlerweile überwiegt bei ihm die Enttäuschung über diese seiner Meinung nach gescheiterten Aufbrüche. Aber zugleich hält er an seiner Vorstellung des Sozialismus fest:

Ein wirtschaftlich-gesellschaftliches System, das auf demokratischer Planung und partizipativer Demokratie beruht und das als Bewertungsmaßstab nicht Marktpreise benutzt, sondern die Arbeitswerte.

Denn das aktuelle System habe versagt:

Ich glaube, dass das bisherige System – bestimmt von Parlamentarismus, Nationalstaat und Marktwirtschaft, dessen Konstruktion aus dem 18. Jahrhundert stammt – heute nicht mehr fähig ist, sich den neuen Erfordernissen der Menschheit anzupassen. Nun muss die Evolution ein neues Weltordnungssystem erzeugen.

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Eine lange Geschichte

Schulden als Hebel der Umverteilung
Oligarchie oder Demokratie?
Oligarchie oder Demokratie? Bild von CmdrCord

Der Ökonom Michael Hudson beschreibt die Geschichte der Staatsschulden seit ihren Anfängen bei den Sumerern über die Antike und Frühe Neuzeit bis heute. Immer wieder stösst er dabei auf Konflikte zwischen Gläubigern und der breiten Masse der Bevölkerung. Der Staat nimmt dabei je nach Machtverteilung eine bestimmte Rolle ein. Mal dient er einer kleinen Oligarchie als Mittel zur Eintreibung ihrer Gelder, mal verfügt er einen allgemeinen Schuldenerlass zugunsten der Vielen. Heute wäre es seine Aufgabe, entweder letzteres durchzuführen oder zumindest über eine angemessene Besteuerung einen Teil der Vermögen wieder der Allgemeinheit zuzuführen.

Es gehört seit der Antike zu den geschichtlichen Konstanten, dass die Interessen von Gläubigern in Widerspruch zu denen der Demokratie wie auch des Königtums gerieten, die in der Lage gewesen wären, der finanziellen Eroberung der Gesellschaft und einer nahezu autonomen Dynamik Grenzen zu setzen, welche den ökonomischen Überschuss in zinstragende Schuldtitel verwandelte.

Aufruhr in der Steppe

Haben die Unruhen in Kasachstan eine internationale Dimension?
Öltransport in Kasachstan
Öltransport in Kasachstan Bild von Duccio Aiazzi

In der ölreichen Region im Südwesten Kasachstans kam es zu schweren Unruhen, bei denen 15 Menschen starben. Seit Monaten protestieren Ölarbeiter für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen; Gewerkschafter sowie deren Angehörige wurden ermordet. Schwerpunkt der Proteste ist das nahe dem Kaspischen Meer gelegene Djanaosen. Die Regierung in Astana will die Lage vor den Parlamentswahlen beruhigen, scheint aber hin- und hergerissen zwischen Repression durch Nachrichtensperre sowie Truppen und Gesten der Schlichtung. Dabei bleibt vieles im Unklaren: Laut Chistian Esch in der Berliner Zeitung richten sich die Proteste auch gegen chinesischen Einfluss – eine wichtige Ölfirma in der Region ist ein kasachisch-chinesisches Joint-Venture. Ulrich Heyden gibt dagegen auf Telepolis Stimmen wieder, nach denen Oligarchen im Exil sowie »Kräfte im Westen« den Widerstand in der Region unterstützen: Ob der Protest der Ölarbeiter eine internationale Dimension hat, bleibt allerdings genauso unklar wie der genaue Ablauf der Ereignisse.

Kasachstan war bislang im instabilen und rohstoffreichen Zentralasien, in dem verschiedene Mächte um Einfluß ringen, ein eher stabiles Land. Der Staat erfuhr durch die OSZE-Präsidentschaft trotz einer Ein-Partei-Diktatur internationale Anerkennung.

»Freuen Sie sich über steigende Preise?«

Wie die Tür zur Spekulation mit Lebensmitteln geöffnet wurde
Von den Feldern ...
Von den Feldern ... Bild von RIchard A Howell

Ob und in welchem Umfang Lebensmittelspekulation die Weltmarktpreise beeinflußt, ist äußerst umstritten, auch wenn die krasse Achterbahnfahrt der Preise der vergangenen Jahre anders kaum zu erklären ist. Daß aber auch andere Faktoren wie gesteigerte Nachfrage durch Biosprit oder Ernteausfälle und hohe Ernergiepreise eine Rolle spielen, bestreitet Harald Schumann in den Blättern nicht. Vielmehr erzählt er die Geschichte der Liberalisierung der Rohstoffmärkte seit Anfang der 90er Jahre. Zu dieser Zeit entwickelte Goldman Sachs als Vorreiter Instrumente zur Vermarktung von Rohstoffen. Den Durchbruch erlebte diese innovative Finanzdienstleistung erst mit dem Platzen der Internetblase Anfang des Jahrtausends, als Anleger neue Investitionsmöglichkeiten suchten. Zuvor hatte die Clinton-Regierung unter dem Finanzminister Robert Rubin auf Druck der Investmentbanker zahlreiche Regulierungen beseitigt, die Spekulation auf den Rohstoffmärkten begrenzten. Weiterlesen … »

Schöne Bescherung

Fundraising im Zwielicht
Schöne Bescherung
Bild von Neubie

In der Weihnachtszeit sind sie wieder allerorten unterwegs: Die Spendensammler. Fundraising ist mittlerweile ein hochprofessionelles Geschäft, in dem vor allem Werbeagenturen und andere Dienstleister kräftig verdienen. Der Umsatz beträgt fünf Milliarden Euro jährlich, 50.000 Vereine sammeln selbst oder lassen sammeln. Doch nicht alle arbeiten seriös. Das ist besonders bitter für all jene, die sich ehrlich und ohne Eigeninteresse karitativ engagieren.

Dank der Gutgläubigkeit der Bürger und mithilfe psychologischer Tricks ergattern die schwarzen Schafe der Branche Millionenbeträge. Carsten Rau und Hauke Wendler haben die Praktiken recherchiert - und selbst einen Verein gegründet, um zu sammeln. Dabei stellten sie fest, wie einfach das ist: Man benötigt nur einen Eintrag ins Vereinsregister, ein paar Werbeutensilien inklusive Spendenbox und ein seriöses Auftreten. Denn weder sind Genehmigungen noch ein transparenter Nachweis über die Verwendung der Gelder erforderlich. So kommt es, dass einzelne Sammler 85% und mehr als Verwaltungsaufwand abziehen, nur wenig kommt bei den Bedürftigen an. Selbst gut arbeitende Vereine können manchmal der Versuchung nicht widerstehen, auf fragwürdige Praktiken bei ihrer Finanzierung zurückzugreifen. Spendenwillige sollten sich deshalb vorab genau informieren.

Milchmädchenrechnung auf höchstem Niveau

Ein Kommentar zum EU-Gipfel

Die Beschlüsse des jüngst vergangenen Gipfels nimmt Elmar Altvater zum Anlass, mit der aktuellen Krisenpolitik abzurechnen. Diese diene fast ausschließlich den Interessen der Banken. Hinzu komme, dass die Chancen für einen ökologischen Umbau wieder einmal verpasst worden seien. Sie sei aber auch ökonomisch gesehen nicht erfolgversprechend:

Denn die Krisen­bekämpfung ist nicht nur unsozial und un­demokratisch, sie ist obendrein unwirksam. Um das zu erkennen, reichen schon Grundkenntnisse in der volkswirtschaftlichen Saldenmechanik. Diese lehrt, dass in einem geschlossenen System nicht alle zugleich sparen können, dass die Überschüsse der einen die Defizite der anderen sind. Alle europäischen Länder können nur dann einen Haushalts- und Leistungsbilanzüberschuss erzielen, wenn ein neoliberales Wunder passierte oder realistisch unterstellt werden könnte, dass die USA und China oder Japan und andere Länder Defizite einfahren. Über diesen quacksalberischen Irrealismus lachen schon die Hühner.

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