Presseschau Westeuropa

Vielen Dank für die Blumen

Die Rosenproduktion in Kenia veranschaulicht die Globalisierung
Der Naivashasee wird bei der Rosenproduktion durch Abwässer belastet
Der Naivashasee wird bei der Rosenproduktion durch Abwässer belastet Bild von Joe Hall

Globalisierung bedeutet, daß die Waren- und Produktionsketten zunehmend über den ganzen Globus verteilt sind. Die Verbraucher können die Herstellungsbedingungen selten überprüfen. Daher bleibt die Globalisierung für viele ein eher schwammiger Begriff. Exemplarisch sichtbar wird diese Veränderung in einer Dokumentation von Michael Richter. Er folgt der Spur der Rosen, die in Kenia für den Weltmarkt angebaut werden und per Flugzeug über Holland in den europäischen Handel kommen. Traditionelle Rosenzüchter in der Elbmarsch geben mittlerweile ihr Geschäft auf, weil sie zu den Preisen nicht konkurrenzfähig sind. In Kenia kann das ganze Jahr über angebaut werden. Doch neben der Verlagerung der Produktion gibt es auch andere Kehrseiten: So zahlt die Rosenindustrie den Angestellten in einigen Betrieben wie dem Konzern Katuri einen Hungerlohn und läßt sie ungeschützt mit Pestiziden arbeiten. Abwässer werden ungeklärt in den Naivashasee geleitet, bis dessen Ökosystem umkippt. Weiterlesen … »

Jahre der Angst

Neofaschisten bombten und mordeten in den 70er und 80er Jahren im Auftrag des Staates
Bei dem Bombenanschlag auf den Bahnhof von Bologna 1982 starben 85 Menschen
Bei dem Bombenanschlag auf den Bahnhof von Bologna 1982 starben 85 Menschen Bild von ZIC photo

Seit Beginn des Kalten Krieges setzten die USA auf verdeckte Geheimoperationen: Ein Baustein waren die paramilitärischen Gladio-Einheiten, die bei einer sowjetischen Besatzung hinter der Front agieren sollten. Für diese streng geheime und der NATO untergeordnete Organisation wurden Rechtsradikale rekrutiert, da sie aufgrund ihrer anti-kommunistischen Haltung als zuverlässig galten. Doch Gladio wurde im Inneren eingesetzt; durch Terroranschläge wurde ein Klima der Angst erzeugt, in dem rigide Sicherheitsgesetze legitimiert werden.

Die krasseste Terrorserie erfolgte im Italien der 70er und 80er Jahre. Sie wurde teils linken Gruppen in die Schuhe geschoben, um den kommunistischen Einfluß zurückzudrängen und einen Putschvorwand zu liefern. Doch auch eine unerklärliche Terrorserie in Belgien sowie das Oktoberfest-Attentat in den frühen 80er Jahren stehen wahrscheinlich in diesem Zusammenhang. Ein Anfang diesen Jahres von ARTE ausgestrahlter Film bietet einen Überblick über die Strategie der Spannung: Ein staatstragender Terror, um den Ruf nach einem autoritären Staat auszulösen. Somit geht die Kooperation von Geheimdiensten mit Faschisten auf ein geheimes Zusatzprotokoll des National Security Act der USA von 1947 zurück. Da die Rolle, die Gladio wirklich gespielt hat, jedoch bislang unklar geblieben ist, plädiert der Film für eine Aufklärung durch Öffnung der Archive.

Vorwahl in der Wahlmonarchie

Frankreichs Sozialisten wollen ihren Präsidentschaftskandidaten durch ein neues Verfahren bestimmen
Wer wird Kandidat? Martine Aubry, François Hollande
Wer wird Kandidat? Martine Aubry, François Hollande Bild von Martine Aubry

Der für seinen brüsken Stil bekannte französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy ist mittlerweile derart unbeliebt, daß die Sozialisten hoffen, ihn bei den kommenden Wahlen aus dem Élysée-Palast zu spülen: Unklar ist bislang noch, wer der zweite sozialistische Präsident nach François Mitterrand werden soll. Dafür wird nun nach amerikanischen Vorbild eine Vorwahl (»Les Primaires«) abgehalten. Ursula Welter stellt im Deutschlandfunk das Verfahren und die Kandidaten vor. Nach dem peinlichen Skandal um Dominique Strauß-Kahn gilt Francois Hollande, der geschiedene Ehemann der vormaligen Präsidentschaftkandidatin Ségolène Royal, als Favorit. Seine schärfste Konkurrentin ist Martine Aubry, welche eher dem linken Lager zugerechnet wird. Wichtige Themen sind die Schuldenpolitik und die Jugendarbeitslosigkeit. Die Mehrheit der Kandidaten lehnt eine Schuldenbremse nach deutschen Vorbild ab und setzt auf eine aktivere Wirtschaftspolitik.

Köpfen, Enteignen, Ignorieren

Staatsbankrotte in der Geschichte

Angesichts der aktuellen Aufregung um einen drohenden Staatsbankrott Griechenlands wirft das Schweizer Fernsehen einen Blick zurück. Früher waren solche Insolvenzen keineswegs eine Seltenheit, ganz im Gegenteil. Seit dem Jahr 1800 ging beispielsweise Spanien schon 13 Mal pleite, Frankreich immerhin 8 Mal. Der wichtigste Grund dafür waren die ausgedehnten und entsprechend kostspieligen Kriege.

Wegen der extremen Risiken waren seinerzeit auch die Zinsen exorbitant hoch. Es handelte sich also um eine schlichte Wette, meint der Wirtschaftshistoriker Harold James – die Frage war lediglich: wiegen die Zinsen bis zum nächsten Bankrott den dann abzuschreibenden Kredit auf? Dabei waren die Staaten im schlimmsten Fall wenig zimperlich: Gläubiger in Frankreich wurden wegen Wucher zum Tode verurteilt, Heinrich VIII. enteignete kurzerhand die katholische Kirche und Argentinien verhandelte danach einfach nicht mehr mit seinen Geldgebern. Weiterlesen … »

»Sie machen, was sie wollen«

Ein schweizer Rohstoffkonzern im Zwielicht
Schachtanlage in Mopani/Sambia
Schachtanlage in Mopani/Sambia

Glencore ist zwar nur wenigen ein Begriff, aber dennoch ist das umsatzstärkste Unternehmen der Schweiz ein zentraler Akteur im weltweiten Rohstoffgeschäft. Metalle und Erdöl werden abgebaut und gehandelt, genauso wie Lebensmittel. Wie das im Detail aussieht,  hat jetzt eine NGO genauer untersucht und darüber ein Buch veröffentlicht: »Rohstoff – Das gefährlichste Geschäft der Schweiz«.

In Sambia beispielsweise betreibt Glencore eine Kupfermine. Und obwohl der Weltmarktpreis des Metalls aktuell auf Rekordniveau steht, zahlt die Firma dort kaum Steuern. Grund ist die kreative Buchführung: Mit Hilfe von Zweigstellen in Bermuda und den Jungferninseln, zwei einschlägig bekannten Steueroasen, werden die Gewinne künstlich heruntergerechnet bzw. in eben diese Niedrigsteuerländer transferiert. Das Produktionsland geht dabei weitgehend leer aus.

Das ist übrigens nicht nur im Fall Glencore so; Schätzungen zufolge verlieren Entwicklungsländer etwa 300 Milliarden Dollar an Steuern jährlich durch solche Praktiken. Zum Vergleich: die weltweite Entwicklungshilfe summiert sich auf ca. 130 Milliarden Dollar.

Umbruch oder Zusammenbruch?

Die Krise der EU
Proteste in Griechenland, Oktober 2011
Proteste in Griechenland, Oktober 2011 Bild von Odysseas Gp

Tomasz Konicz analysiert ausführlich die aktuelle Eurokrise. Hinter der Fassade der politischen Machtspiele sieht er eine tiefere Ursache. Die zunehmende Rationalisierung und Technisierung weiter Teile der Wirtschaft seit den 80er Jahren habe weit mehr Jobs eingespart als neu entstehen lassen. Folglich schwand ein guter Teil der Nachfrage.

Oder besser gesagt: Diese wegbrechende Nachfrage wurde durch kreditfinanzierte Nachfrage ersetzt. Zunächst vergab die Finanzbranche großzügig Kredite an Verbraucher, während der Krise wurde das dann durch staatliche Schulden ersetzt. Die aktuellen Kämpfe in der EU um den wirtschaftspolitischen Kurs drehten sich daher vor allem um eine Frage: Soll die Schuldenspirale weiter durch staatliche Konjunkturprogramme am Laufen gehalten oder soll nun ein harter Schnitt erfolgen und gespart werden? Man muss dem Autor nicht völlig in seiner Interpretation zustimmen, aber lesenswert ist der Text allemal.

Ursprung der Staatsschulden

Eine kleine Geschichte des öffentlichen Kredits

Seit Jahrhunderten leihen sich Staaten Geld, um ihre Ausgaben bestreiten zu können. Dafür zahlen sie ihren oder fremden Bürgern Zinsen. Doch wo und wann ist dieses heute so selbstverständliche System eigentlich entstanden? Wolfgang Uchatius wirft einen Blick zurück. Genauer: in das 14. Jahrhundert in Italien. Auch damals gab es nicht nur Staatsanleihen, sondern auch schon Staatsbankrotte. Ein nicht sehr tiefgründiger, aber dennoch lesenswerter Beitrag in der Zeit.

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