Mit gezinkten Karten
Eine der Grundregeln der Demokratie beruht auf der Akzeptanz einer Wahlniederlage: Die unterlegene Partei muss sich von den liebgewonnenen Honigtöpfen der Macht verabschieden. An diese Mensch-ärgere-Dich-nicht-Regel wollte sich die unterlegene CDU/CSU während der Kanzlerschaft Willy Brandts aber nicht halten. Mit Geldern der Industrie gründeten einige Spieler ihren eigenen Geheimdienst. Diese »Konservative Verschwörung« hat Stefanie Waske in umfangreichen Recherchen aufgedeckt. Die Arbeit ist jüngst als Buch erschienen, welches das Zeit-Magazin in Auszügen veröffentlicht hat. Seinen Ursprung hatte dieser Kreis bei einem Treffen im Herbst 1969 von Franz-Josef Strauß, dem vormaligen Leiter von Adenauers Kanzleramt, Hans Globke, und Karl Theodor zu Guttenberg, dem Großvater des zurückgetretenen Ministers. Für diese Operation wurden ehemalige Nachrichtendienstler rekrutiert, für die Scheinpositionen in der bayrischen Landesregierung geschaffen wurden. Der Vertraute des BND-Gründers Reinhard Gehlen, Wolfgang Langkau, wollte dafür auch auf einen Schattendienst im BND zurückgreifen. Geführt wurde die Organisation von den Bundesnachrichtendienstlern Hans Christoph von Stauffenberg und Hans Langemann, der später als Präsident der Bayrischen Verfassungsschutzes diente und dessen Rolle beim Oktoberfest-Attentat bis heute ungeklärt bleibt 1. Mit an Bord sind auch Schlüsselfiguren des späteren Spendenskandals der CDU.
- 1. Leider wurde die Verbindung des Schattendienstes zu seinem Pendant »Le Cercle Pinay« in dem Zeit-Beitrag nicht weiter ausgeführt
Frieden durch Abschreckung?
Der Historiker Eckart Conze - einer breiteren Öffentlichkeit durch seine Mitwirkung an »Das Amt« bekannt geworden - analysiert die Rolle der Atomwaffen im Kalten Krieg. Das häufig formulierte Argument, gerade die extreme Vernichtungskapazität dieser Bomben habe den Frieden gesichert, stellt er dabei in Frage. Denn das setze voraus, dass alle Beteiligten rational handeln, also die Folgen ihrer Entscheidungen abwägen würden. Das sei zwar damals so gewesen, ist aber keineswegs selbstverständlich. Gerade heute, in einer zunehmend unübersichtlicher werdenden Welt, könne davon immer weniger ausgegangen werden. Hinzu komme, dass der Kalte Krieg immer ein äußerst prekärer Frieden war: Die zahlreichen, schweren Krisen zeigten das. Hinzu komme noch die enorme wirtschaftliche Belastung durch die massive Aufrüstung. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass es mehrfach gerade auch in der BRD starke Friedensbewegungen gab, die sich mit ihren Anliegen aber nicht durchsetzen konnten.
Kommentar
Sicher hat Conze Recht mit seiner Betonung, dass der Kalte Krieg, gerade im Rückblick, stabiler scheine, als er war. Und ja: Die Kosten der Rüstung allein richteten schon extreme Schäden an, ohne dass die Bomben überhaupt eingesetzt wurden. Das bedeutet aber zugleich, dass irgendwer von dieser Aufrüstung auch enorm profitierte: Sei es die westliche Industrie oder das sowjetische Pendant eines bürokratischen Apparats. Vor allem aber sieht Conze heute die Gefahr vor allem in Regimes wie Iran oder in einem möglichen Nuklearterrorismus begründet. Das wäre noch zu hinterfragen. Denn Fakt ist: Der bis heute einzige Einsatz von Atomwaffen im Krieg wurde von der Regierung eines demokratischen westlichen Landes angeordnet. Und umgekehrt: Warum geht er davon aus, dass die Regierung in Teheran nicht rational handelt? Man muss die Ziele dieses Regimes ja nicht teilen oder verteidigen - aber es wäre kaum seit über 30 Jahren an der Macht, wenn es sich irrational verhalten hätte. Vielmehr zeigen viele Fälle aus der jüngeren Vergangenheit ja gerade, dass es rational agiert. Und dazu gehört unter Umständen auch der Wille, Atomwaffen zu besitzen. Im Übrigen war bis dato noch keine Terrorgruppe in der Lage, sich Atomwaffen zu beschaffen oder gar einzusetzen.
Das Ende der atlantischen Dominanz
Die Epoche der transatlantischen Dominanz ist vorüber. Angefangen von den Kolonialmächten der Renaissance bis zur Supermacht USA waren diese tonangebend in der Weltpolitik. Das Erscheinen neuer Akteure beim Ringen um Macht und Einfluß, wie Indien oder China, verändert die Lage auf dem »großen Schachbrett«. Welchen Einfluß diese Verschiebung auf das Denken des Zbigniew Brzezinski ausübt, untersucht Hauke Ritz in den Blättern für deutsche und internationale Politik. Brzezinski erscheint hier als moderner Königsberater, der für mehrere Präsidenten als Sicherheitsberater die amerikanischen Linien des Kalten Krieges vorgab. Er sieht sich als Architekt der sowjetischen Invasion in Afghanistan – eine Falle, die zum Zusammenbruch des Imperiums beitrug und zugleich unzählige Menschen das Leben kostete. Forderte der Sicherheitsberater in den 90er Jahren noch eine Neuauflage der amerikanischen Dominanz und zerstritt sich darüber mit den Neokonservativen ob deren Invasionsstrategie, plädiert er nun für eine Abkehr von der Feindschaft zu Russland. Denn nur durch einen Ausgleich mit dem einstigen Gegner und einer Integration der Türkei in den Westen ließe sich dem wachsenden Einfluß aufstrebender Staaten begegnen. Die USA seien in einer vergleichbaren Situation wie die späte Sowjetunion: »Ein festgefahrenes und reformunfähiges politisches System.« Dies werde durch das Unwissen breiter Bevölkerungsschichten über Weltpolitik begünstigt. Die grundlegende Veränderung der geopolitischen Landkarte hat aber auch Einfluß auf kleinere Staaten, die sich in Zukunft weniger stark am Westen orientieren werden.
Jahre der Angst
Seit Beginn des Kalten Krieges setzten die USA auf verdeckte Geheimoperationen: Ein Baustein waren die paramilitärischen Gladio-Einheiten, die bei einer sowjetischen Besatzung hinter der Front agieren sollten. Für diese streng geheime und der NATO untergeordnete Organisation wurden Rechtsradikale rekrutiert, da sie aufgrund ihrer anti-kommunistischen Haltung als zuverlässig galten. Doch Gladio wurde im Inneren eingesetzt; durch Terroranschläge wurde ein Klima der Angst erzeugt, in dem rigide Sicherheitsgesetze legitimiert werden.
Die krasseste Terrorserie erfolgte im Italien der 70er und 80er Jahre. Sie wurde teils linken Gruppen in die Schuhe geschoben, um den kommunistischen Einfluß zurückzudrängen und einen Putschvorwand zu liefern. Doch auch eine unerklärliche Terrorserie in Belgien sowie das Oktoberfest-Attentat in den frühen 80er Jahren stehen wahrscheinlich in diesem Zusammenhang. Ein Anfang diesen Jahres von ARTE ausgestrahlter Film bietet einen Überblick über die Strategie der Spannung: Ein staatstragender Terror, um den Ruf nach einem autoritären Staat auszulösen. Somit geht die Kooperation von Geheimdiensten mit Faschisten auf ein geheimes Zusatzprotokoll des National Security Act der USA von 1947 zurück. Da die Rolle, die Gladio wirklich gespielt hat, jedoch bislang unklar geblieben ist, plädiert der Film für eine Aufklärung durch Öffnung der Archive.
Scheinbare Offenheit
Verschwiegenheit gilt als ein Prinzip des Nachrichtendienstgeschäfts. Doch der deutsche Bundesnachrichtendienst hat auch Gründe seine Vergangenheit im Dunkeln zu lassen, die nicht geschäftlicher Natur sind. Schließlich geht die Gründung auf Reinhard Gehlen zurück, der als vormaliger Chef des Wehrmachts-Nachrichtendienstes Fremde Heere Ost sich und seine vorsorglich versteckten Akten den Amerikanern anbot. Sein Kalkül, sich auf Seiten der Amerikaner in den Kalten Krieg zu retten, ging voll und ganz auf. Im Schlepptau band er in die neu geschaffene Organisation Gehlen, dem Vorläufer des BND, zahlreiche Wehrmachts-Offiziere und Nazis ein. Erst in den letzten Jahren wurde bekannt, daß auch international gesuchte Kriegsverbrecher zu den Agenten Pullachs gehörten. Der Journalist Ulrich Chaussy, der sich bereits seit längerem mit den Winkelzügen des Kalten Krieges beschäftigt, versucht für das ARD-Radiofeature eine Annäherung an die Geschichte des Dienstes. Weiterlesen … »
Der ungeschickte Schütze und das Kronjuwel
Während die Kubakrise 1961 das Sinnbild eines drohenden Atomkrieges darstellt und Gegenstand von Kultur und Forschung wurde, ist die Krise um die NATO-Übung Able Archer im Jahr 1983 eher unbekannt. Diese umfassende Übung sollte einen Atomkrieg unter Leitung der NATO-Staatschefs simulieren. In einem Klima wachsenden Mißtrauens zwischen den Supermächten vermutete der KGB hinter der Übung eine Tarnung für einen nuklearen Erstschlag und bereitete einen Reaktion vor. Der amerikanische Präsident Ronald Reagan hatte die Sowjetunion als Reich des Bösen (»evil empire«) bezeichnet, das diplomatische Klima hatte einen Tiefpunkt erreicht. Dies geschah vor dem Hintergrund eines Wettrüstens, der Stationierung der amerikanischen Pershing-II durch den NATO-Doppelbeschluß als Antwort auf die sowjetische Mittelstreckenrakete SS-20. Die Sowjets reagierten auf die Angst vor einem Erstschlag mit dem Programm RJaN zur Aufklärung der Aktivitäten. Weiterlesen … »
Ein Schritt vor dem Abgrund
Reinhard Mutz wirft einen angenehm unaufgeregten Blick zurück auf die beiden großen Berlin-Krisen im Kalten Krieg 1948 und 1961. Dabei wird vor allem eines deutlich: Sowohl die Sowjetunion als auch die USA ließen zwar die bestehende latente Kriegsgefahr zu spektakulären Krisen eskalieren – vor der letzten Konsequenz schreckten sie aber dann jedesmal zurück. Vernunft und politisches Kalkül gewannen die Oberhand gegenüber den Scharfmachern auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Weiterlesen … »
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