Gekaufter Glamour
Schon seit einiger Zeit wird intensiv über Katars neue Rolle als Ausrichter wichtiger globaler Sportevents diskutiert. Es geht um Korruption bei der Vergabe der Fußball-WM 2022 und um die Arbeitsbedingungen auf den Stadienbaustellen. Aktuell anlässlich der Handball-WM, die ebenfalls in Katar stattfindet, bekommt dieses Bild noch weitere Facetten. Der Philosoph Gunter Gebauer thematisiert dieses Retortenspektakel:
Das ganze Sportsystem in Katar ist pervers. Der moderne Sport, insbesondere der Handball, hat gar keinen Ort in Katar, weil er die Bewohner nicht interessiert. Zudem wurden diese großen Stadien gebaut - und werden noch gebaut für die Fußball-WM 2022 - und mit Zuschauern gefüllt, die für das Zuschauen bezahlt werden. Da werden ein künstliches Publikum und eine künstliche Sportbegeisterung in einer künstlichen Sportwelt geschaffen.
Offenkundig geht es bei solchen Veranstaltungen nicht mehr vorrangig um den Sport selbst. Es geht um Repräsentation und politischen Einfluss; für diese Ziele wird der Sport instrumentalisiert. Um die Werbewirkung für das katarische Herrscherhaus der Al Thanis noch zu verstärken, kommt bei der Handball-WM noch eine überaus fragwürdige Praxis hinzu. Sportjournalisten wird ein rundum-sorglos-Paket offeriert, einschließlich kostenlosem Flug und Hotelunterkunft. Insgesamt 680 Journalisten nahmen dieses Angebot an - und kein einziger von ihnen macht diese Abhängigkeit seinen Lesern gegenüber transparent.
Wie kritisch sind Journalisten?
Uwe Krüger hat eine umfangreiche Studie vorgelegt, in der er die Verbindungen von einflussreichen Journalisten zu politischen Netzwerken untersucht. Jeweils eine Person der Leitmedien FAZ, Die Zeit, Die Welt und Süddeutsche Zeitung werden dabei untersucht, exemplarisch mit Blick auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Dabei wird deutlich, wie eng diese Journalisten mit anderen Eliten verzahnt sind. Und mehr noch: Es zeigt klar, wie weit sich die Sichtweisen und Argumentationen beider Gruppen decken. Dem Idealbild von kritischer, distanzierter Darstellung genügt das kaum, wie der Autor festhält:
Ihr Bild von Bedrohungen und Konflikten war ebenso eindimensional und nicht reflexiv wie das in den offiziellen Doktrinen. Stellenweise verwendeten v.a. Kornelius und Joffe Propagandatechniken, wobei offenbleiben muss, ob sie dies bewusst oder unbewusst taten. Die Argumentation der vier Journalisten ist zusammenfassend als unkritisch bis persuasiv zu qualifizieren; Gegenargumente zum offiziellen Diskurs wurden kaum diskutiert.
Doppeltes Spiel auf allen Seiten
Marc Thörner zeichnet im Deutschlandfunk die Veröffentlichung der afghanischen Kriegsmeldungen des amerikanischen Militärs durch Wikileaks und Partnermedien Ende Juli 2010 nach. In diesem bemerkenswerten Feature enthüllt Thörner, warum der brisanteste Teil dieser Geheimdienstsammlung niemals veröffentlicht wurde. Die Warlords der Nordallianz, welche nach der Invasion die Macht in den nördlichen Provinzen übernahmen, unterstützten die Taliban, um die Schwäche der Regierung in Kabul sichtbar zu machen. Der Tadschikenführer Mohammed Atta Nur und der Usbekenführer Raschid Dostum planten die Absetzung der Regierung Karsai um selbst die Macht zu übernehmen. Als Reaktion verbündete sich Karsai mit paschtunischen Milizen. Weiterlesen … »
Unter Druck
Bradley Manning wird vor einem Militärgericht aufgrund der Weitergabe von geheimen Daten an Wikileaks wegen Geheimnisverrats angeklagt. Das Portal Gulli schildert die Verteidigungsstrategie seines Anwalts: Der Schaden für die USA durch das Leck sei begrenzt, unklar sei, warum der offensichtlich unter psychischen Problemen leidende Manning überhaupt Zugang zu den Daten hatte. Der Fall ist in den USA äußerst umstritten – Manning wurde in den ersten Monaten seiner Haft mißhandelt, einige Politiker forderten die Todesstrafe.
Bereits vor einigen Monaten hat Jörg Fuchs eine kritiksche Bestandsaufnahme von Wikileaks im Titel-Magazin geschrieben: So sei das Projekt seinem Anspruch ebenso wenig gewachsen wie dem Sturm, der durch die Veröffentlichungen ausgelöst wurde. Der Autor vermißt eine klare Haltung bei Wikileaks und beklagt den schlampigen Umgang mit Daten. Die Konzentration auf einen öffentlich wirksamen Frontmann ist für das Projekt gefährlich, dagegen veröffentlichen anonyme Hackergruppen Daten weniger angreifbar. Dazu zählt die Veröffentlichung einer Diskreditierungkampagne gegen Wikileaks durch einen Dienstleister, die in den Bereich psychologischer Kriegsführung fällt. Weiterlesen … »
Kein Durchkommen
Gewalt durch Polizeibeamte ist ein Thema, dem sich Medien in Deutschland erst in den vergangenen zwei Jahren verstärkt angenommen haben. Dazu beigetragen hat eine Kampagne von Amnesty International, welche die zahlreichen Fälle von unangemessenem Verhalten anprangerte. Dass Gewalt durch den Staat häufig auch Medienvertreter in Deutschland trifft, zeigt ein Beitrag von NDR Zapp über den Transport der Castor-Behälter nach Gorleben. Dabei ist direkte Gewalt nicht einmal der Kernkritikpunkt, sondern die Behinderung der Medienarbeit: Journalisten werden nicht durchgelassen, grob behandelt, Fotografen gar zum Löschen ihrer Fotos gezwungen. Bei dieser Einschränkung der Pressefreiheit wird auch ein autoritärer Geist vieler Beamter sichtbar.
Gute Daten, böse Daten
Die Wikileaks-Dossiers mögen ein prominentes Beispiel sein: Zumeist nutzt der neu entstehende Datenjournalismus aber öffentlich zugängliche Daten. Die Herausforderung besteht einerseits aus der Sammlung von Daten und einer ansprechenden optischen Aufbereitung. Anderseits allerdings bedarf es der Interpretation und der kritischen Hinterfragung. Dieser digitale Journalismus ermöglicht beispielsweise den Einblick in die Vergabe der Agrar-Subventionen der Europäischen Union, des größten Topfes des Staatenbundes. In interaktiven Grafiken wird deutlich, daß die meisten Gelder für Fischereiflotten nach Spanien fließen – oder aber welche Regionen in Afghanistan am härtesten umkämpft sind. Das Medienmagazin Zapp stellt einige Akteure des Datenjournalismus vor. Weiterlesen … »
Fliegende Augen, Rechtslage in der Schwebe
Einen spaßigen Beitrag zum Sommerloch bietet die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nachdem die Sicherheitsbehörden in Deutschland begonnen haben, ihr Überwachungs-Repertoire mit fernsteuerbaren Kleinsthubschraubern – sogenannten Mini-Drohnen – aufzurüsten, fragt Harald Staun, warum die Paparazzi-Fotografen des Boulevards diese Technik noch nicht zur Spionage des Privatlebens Prominenter entdeckt haben. Er vermutet die »technische Rückständigkeit der Redaktionen«, Einsprüche der Buchhaltungsabteilung sowie einschlägige Gerichtsurteile hinter der »Abstinenz«. Zugleich werde die Schnüffelei durch die fliegenden Augen allmählich für die Allgemeinheit erschwinglich, auch wenn die Rechslage bislang in der Schwebe ist.
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