Presseschau Afghanistankrieg

Tragödie und Farce

Von wegen: Geschichte wiederholt sich nicht
Von der Sowjetunion gebautes Schwimmbad in Kabul <br/>Foto von machina, Flickr
Von der Sowjetunion gebautes Schwimmbad in Kabul Foto von machina, Flickr

Robert Fisk war Anfang der 80er-Jahre als Reporter in Afghanistan unterwegs. Was er dort erlebte, ähnelt auf verblüffende Weise aktuellen Berichten, nur die Akteure sind heute andere. Da ist die Rede von einer Armee, die nur die Städte kontrollieren kann; von Generälen, die immer neue Truppen fordern; von »Terroristen«, Foltergefängnissen und Gotteskriegern, die in Pakistan Unterschlupf finden.

Schattengewächs

Die fragwürdingen Tendenzen der Sondereinheit der Bundeswehr
 <br/>Foto von andybooHH, Flickr
Foto von andybooHH, Flickr

Jürgen Rose, kritischer Oberstleutnant der Bundeswehr schreibt in der aktuellen Ausgabe des Freitag über die geheime Sondereinheit der Bundeswehr KSK. Diese habe zu dem Bombardement von Kunduz die entscheidenden Lageinformationen gegeben. Die »hermetische Abschottung« der Truppe bis hin zu angedachten nachrichtendienstlichen Verdeckungsmethoden entspreche nicht dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform. Einer demokratischen Öffentlichkeit werde die Möglichkeit der Kontrolle genommen.

Verschärfend tritt hinzu, dass die Führungsverantwortlichen in den deutschen Streitkräften die Kommandosoldaten einem professionellen Anforderungsprofil unterworfen haben, das Züge eines extremen Militarismus, eines überhöhten Kriegerkultes und eines ins Faschistoide changierenden Männ­lichkeitsbildes aufweist.

Die Bundesregierung schwimmt

Neue Erkentnisse in der Affäre um das Kunduz-Bombardement setzten die Regierung unter Druck
Kamele bei Kunduz <br/>Foto von Spangleddrongo
Kamele bei Kunduz Foto von Spangleddrongo

Die Süddeutsche Zeitung und der Stern fassen vor Beginn des Untersuchungsausschusses zur Kunduz-Affäre den Stand der Ermittlungen und der Debatte zusammen. Der für den Luftangriff in Kunduz verantwortliche Offizier Oberst Klein habe demnach unter Stress gehandelt und formuliert, daß er die Taliban »vernichten« wolle. Wie der Stern herausfand, hat er zudem versucht, die Ermittlungen zum Angriff zu behindern. Der neue Verteidigungsminister gerät dabei immer mehr unter Druck. Der scheidende Generealinspekteur der Bundeswehr bezichtigt in einem Interview mit der Zeit Theodor Guttenberg der Lüge, ihn falsch unterichtet zu haben. Deutschlandfunk Hintergrund porträtiert Guttenberg zum Thema. Die Affäre offenbart immer mehr ein Gewebe von Falschheiten und stellt die Kompetenz der Regierung jenseits der Fähigkeit zum Rudern in Frage.

Das Zentrum einer falschen Politik

Wie die Unterstützung des Westens für korrupte Warlords die Bevölkerung in den Widerstand treibt
Miliizen bei Mazar-i-Scharif <br/>von Olivier_P, Flickr
Miliizen bei Mazar-i-Scharif von Olivier_P, Flickr

Marc Thörner berichtet für das Deutschlandfunk Feature über Menschenrechtsverletzungen im Einsatzgebiet der Bundeswehr in Afghanistan. Demnach betreibe der Provinzgouveneur und vormalige Warlord Mohammad Atta Nur Drogengeschäfte und ethnische Politik in seinem von Kabul weitgehend unabhängigen Herrschaftsbereich. Die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen wird jeweils anderen Kräften zugeschoben. Die Bundesregierung liefere dazu systematisch falsche Informationen an die Öffentlichkeit und verschweige Übergriffe amerikanischer Soldaten gegen paschtunische Dörfer im Interesse der Provinzgouverneure. Die Angriffe, Morde, Menschenrechtsverletzungen und Landraub durch Atta und Dostum treibe die Paschtunen im Norden in den Widerstand, wie der Autor von Kämpfern erfährt.

Neue Ziele, alte Probleme

Der Kurswechsel des Westens in Afghanistan

Der Afghanistan-Experte Jürgen Wagner beschreibt den Kurswechsel der westlichen Politik am Hindukusch. Mittlerweile hat die NATO offenbar das Ziel, für Demokratie und Frieden zu sorgen, auch offiziell aufgegeben. Statt dessen soll verstärkt in den Aufbau einer landeseigenen Armee und Polizei investiert werden, um mittelfristig die eigenen Truppen zu entlasten. So oder so - der verheerende Krieg wird weitergehen und die korrupt-autoritäre Karzai-Regierung erhält weiterhin Unterstützung. Aber die skeptischen Stimmen mehren sich.

Beobachtungen von der Front

Die inneren Konflikte Afghanistans
Trauerfeier für Tote beim Anschlag auf das UN-Gästehaus  <br/>Foto von Eric Kanalstein
Trauerfeier für Tote beim Anschlag auf das UN-Gästehaus Foto von Eric Kanalstein

Die taz berichtet über  den Konflikt zwischen dem Warlord und Gouverneur von Balch Atta Mohammed Nur und der Zentralregierung. In dem Bericht werden die inneren Spannungen Afghanistans in Form von ethnischer Bevorzugung, Konkurrenz zwischen Warlords und Korruption deutlich. German Foreign Policy schreibt ebenfalls über den Konflikt und sieht Absetzungsbewegungen Washingtons von Karsai hin zu einer abwägenden Beobachtung der Warlords und folgert daraus eine Partikularisierung des Landes. Deutschlandfunk Hintergrund sieht anhand des jüngsten Anschlags auf das Gästehaus der UN in Kabul die Machtlosigkeit der Regierung, die nicht einmal in der Hauptstadt, die einem Heerlager gleiche, für Sicherheit sorgen könne.

Geld verschwunden, Glaubwürdigkeit verschwunden

Die Vereinten Nationen können den Verbleib hoher Summen bei der afghanischen Wahlkommission nicht nachvollziehen
Wählen nach Zahlen in Kandahar <br/>Foto von Canada in Afghanistan
Wählen nach Zahlen in Kandahar Foto von Canada in Afghanistan

Laut dem New Yorker Portal für investigativen Journalismus ProPublica haben die Vereinten Nationen die Spur von 10 Millionen Dollar für die afghanischen Wahlen nicht nachvollziehen. Nachdem bereits durch Wahlfälschungen und der Rückzug Abdullahs in den Stichwahlen die Wahl zur Farce wurde und der Westen sich lächerlich machte, ist nun das Verschwinden großer Summen in der Wahlkommission bekannt geworden. Die Kommission verfüge über keine Begrifflichkeit für Transparenz und sei von dem afghanischen Präsidenten kontrolliert, was von Hamid Karsais zurückgetretenden Konkurrenten ebenso wie von unabhängigen Quellen kritisiert wurde. Führende Köpfe der UNO hatten laut internen Kritikern Warnungen vor der Kommission ignoriert.

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