Presseschau Beitrag

Turmhohes Elend

Hamburgs gesichtsloser Bauboom
Hamburger Hafenviertel: "Egoisten im Selbstgespräch"
Hamburger Hafenviertel: "Egoisten im Selbstgespräch" Bild von Würzblog

Hanno Rauterberg ist nicht glücklich mit der Architektur seiner Stadt Hamburg, die in den vergangenen Jahren einen Bauboom erlebte. Denn er erkennt kein stadtplanerisches Konzept, sondern eine Aneinanderreihung von Stückwerk:

Wenn man die Stadt als Körper begreifen will, dann ist Hamburg kaum mehr als eine Anhäufung zerstückelter Gliedmaßen. Nichts will sich mehr fügen, nichts mag mehr recht zusammengehören. Fremd stehen sich die Bauten gegenüber, lauter Egoisten, die nur das Selbstgespräch kennen.

Die Stadtplaner gingen zu viele Kompromisse gegenüber Investoren ein, die kein Interesse an der Stadt selbst haben. Dadurch entstehen gesichtslose Bauten, die keine Beziehung zu dem Ort haben. Zugleich wird die Stadt immer teurer. Einen Ausweg erkennt der Autor in dem Engagement der Bürger, wie sie beispielweise bei der Initiative um das Gänge-Viertel erkennbar wurde. Nicht die moderne Architektur an sich sei das Problem, sondern der Unwille, sie in das Stadtbild einzufügen.

Kommentare

Was ist der "Sachzwang"?

Rauterberg schreibt:

»Woran das liegt? Warum Hamburg sich so bedingungslos selbst verschandelt? Es liegt vor allem an den drei Prinzipien, die diese Stadt regieren: erstens das Geld, zweitens das Geschäft, drittens die Rendite. Alles muss möglichst effizient, möglichst billig, möglichst schnell gehen. Schönheit aber rechnet sich nicht, sie lässt sich nicht in Zahlen fassen.«

Das ist ja schon mal nicht schlecht. Wenn er jetzt noch ein wenig weiter ginge in seiner Analyse käme vielleicht mehr heraus als die zeit-übliche Lamentiererei, ohne der Sache auf den Grund zu gehen. Stattdessen lautet das Rauterbergsche Fazit:

»Warum das so sein muss? Im Zweifel lautet die Antwort: Es liegt an den Sachzwängen.« Alles andere könnte die Anzeigekunden der Zeit wohl irritieren.

Wen die Zusammenhänge interessieren:

http://exportabel.wordpress.com/category/architektur/

Bild des Benutzers Martin Atzler

Weitere Hintergrundtexte

Ich denke, der Autor geht – verglichen mit vielen Beiträgen in den bürgerlichen Medien – ziemlich weit in seiner Kritik. Grundsätzlich ist Investion in Stadtraum eine Parkplatz für Kapital, wie dies David Harvey in »The Right to the City« treffend darstellt. (Lesenswert dazu auch Andre Holm in den Blättern.) Die Bewegung, die Hanno Rautenberg kurz anspricht, bezieht sich ja auf Harvey. Erwähnenswert, wenn auch etwas älter, ist auch der Text »Vom Ende der Stadt als staatliche Veranstaltung«, erschienen in der Prokla 1998.

Die Schlußfolgerung: Die Stadt soll ein Lebensraum für Menschen sein, kein Parkplatz für Kapital. Die Realität sieht anders aus.