Presseschau Beitrag

Das schwächste Glied in der Kette

Interpretationsschlacht um die Ereignisse in Griechenland
Unscharfes Bild: Eintreffen der Feuerwehr <br/>Ausschnitt aus Video
Unscharfes Bild: Eintreffen der Feuerwehr Ausschnitt aus Video

Der Konflikt um die Kosten der Krise ist in Griechenland bei Demonstrationen während des Generalstreiks offen eskaliert; diese Zuspitzung durch das umfassende Sparpaket war aufgrund der Mobilisierungskraft der Gewerkschaften sowie der Radikalität und Größe der anarchistischen Linken zu erwarten. Der Tod dreier Bankangestellter durch einen Brand in einer Filiale der Marfin-Bank durch bisher ungeklärte Umstände hat die Diskussion weiter aufgeheizt; in den Medien finden sich eilfertige Urteile, obwohl bis jetzt wenig geklärt ist:

Noch ist nicht klar aus welchem Spektrum die Brandstiftern genau stammen - obwohl die meisten Medien in Griechenland bereits ganz selbstverständlich von Tätern aus dem anarchistischen und autonomen Spektrum schreiben.

Während die Welt sich solchen Vorverurteilungen anschließt, kritisieren Felix Lee und Margarita Tsomou in der taz auch die Spekulationen der linken Szene anhand der Diskussionen auf der Plattform Indymedia. Solche finden sich auch bei Radio Utopie, das eine ansatzweise Rekonstruktion der Ereignisse mit der Möglichkeit eines Einsatzes von Agent Provokateurs der Polizei verbindet; ebenso wird laut ORF über eine gezielte Vernichtung von Steuerhinterziehungsakten im Windschatten der Demonstrationen spekuliert.

Als authentisch wird der Brief eines Angestellten der Bank gewertet, welcher dem Management maßgeblich die Schuld an dem Tod der Angestellten gibt; das Gebäude habe mangels Brandschutz überhaupt nicht benutzt werden dürfen, die Angestellten seien trotz Streiks zum Verbleib in der Bank genötigt worden:

Das Management der Bank hat den Angestellten das Verlassen der Bank strikt verboten, obwohl sie am frühen Morgen danach beharrlich verlangt hatten – indes die Leitung den Angestellten anordnete, die Türen abzuschließen, und durch Anrufe sicherstellte, daß das Gebäude über den Tag verschlossen bleibt. Wer geht, brauche am nächsten Tag gar nicht wiederzukommen, war die Drohung. Sogar das Internet wurde blockiert, um die Angestellten davon abzuhalten, nach draußen zu kommunizieren.

Dabei bleibt – auch durch unpräzise Übersetzung – unklar, ob die Filiale nur abgeschlossen oder verbarrikadiert worden sei; diese unbestätigte Darstellung liefert jedoch eine plausible Begründung, wie die Bankfiliale zum tödlichen Gefängnis werden konnte.

Ironischerweise scheint selbst der Bildzeitung diese Sicht in ihre antigriechische Kampagne zu passen.

Bereits in der Vergangenheit – beispielsweise bei der Demonstration in Rostock gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm – hatten bei unerwartet verlaufenden Ereignissen Medien vorschnell Meldungen verbreitet, die sich später als unhaltbar erwiesen. So war in Rostock von hunderten Verletzten die Rede, während eine Rekonstruktion des Verlaufs der Eskalation unterblieb.