Presseschau Beitrag

Forschung, Politikberatung, Agenda Setting

Ein wirtschaftswissenschaftliches Ranking der FAZ

Die FAZ hat ein umfangreiches Ranking einflussreicher Wirtschaftswissenschaftler aus dem deutschsprachigen Raum verfasst. Natürlich kann man über die grundsätzliche Berechtigung von Rankings streiten. Sie dienen ja nicht nur der Information, sondern oft auch als ein probates Mittel für Agendasetting und zur Zementierung von Machtverhältnissen. So vermutlich auch hier. Es fällt jedenfalls auf, dass die weit überwiegende Mehrzahl der genannten Wirtschaftswissenschaftler waschechte Neoliberale sind. Das spiegelt einerseits ganz gut die faktische Dominanz dieser Schule innerhalb des Wissenschaftsbetriebs wider, andererseits befestigt es deren Position noch durch solche »Gütesiegel«. Andere Richtungen, etwa Keynesianer oder Marxisten, spielen dagegen kaum eine Rolle in dem Ranking. Ob der für das Ranking u. a. verwendete H-Index wirklich so aussagekräftig ist für die fachliche Bedeutung eines Forschers, kann man mit guten Gründen bezweifeln. Dennoch zeigt sich als interessantes Detail, dass Hans-Werner Sinn, »Deutschlands klügster Professor« (BILD), zwar in den Teilrankings Medien und Politik jeweils als Nummer eins eingestuft wird, in der Beurteilung seiner Forschungsleistung dagegen nur abgeschlagen im Mittelfeld landet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Kommentare

Keynesianismus und Neoliberlismus

Bleibt zu bemerken, dass der Keynesianismus ziemlich kompatibel mit dem Neoliberalismus ist, teilen sie doch beide den Glauben an den freien Markt. Besonders klar tritt dieser Befund hervor, wenn man das Scheitern der letzten massiven Staatsinterventionsversuche ab Mitte der 1970er anspricht. Dann finden sich Keynesanbeter überraschend schnell auf neoliberaler Seite wieder und behaupten, dass die einsetzende Stagflation Folge eines externen Schocks (Ölpreis) gewesen sei, wogegen nur angebotsorientierte Wirtschaftspolitik geholfen hätte.

Da fragt man sich verzweifelt: Ja was denn nun? Anscheinend gilt für beide Lager in letzter Instanz: der Markt hat immer recht. Am wichtigsten wäre es wohl, den Umstand zu unterstreichen, dass die BWL und VWL »Lehren« sind und eben keine Wissenschaften im engeren Sinn, und so quasi zur Ausbildung von Fans des Bestehenden beitragen.

Bild des Benutzers Axel Weipert

Wissenschaftsbegriff

Letztlich stellen Sie ja die Frage nach dem Wissenschaftsbegriff: Was macht eine Wissenschaft aus, was unterscheidet sie von Ideologie oder politischer Tendenz? Ich würde sagen: Jede Gesellschaftswissenschaft (also Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Geschichte usw.) ist immer und gewissermaßen zwangsläufig politisch konnotiert. Was sollte denn auch eine »objektive« Gesellschaftswissenschaft sein? Es geht hier in letzter Instanz ja nie darum, irgendwelche Naturgesetze zu entdecken oder dergleichen. Es geht im Kern immer um die Frage: Wie wollen wir leben, wie entscheiden wir darüber und mit welchen Mitteln erreichen wir diese Ziele? Das sind aber hochgradig normative, interessengeleitete Fragen - und dementsprechend können sie per se nicht objektiv sein. Oder andersherum formuliert: Welche Interessen stehen hinter den jeweiligen Schulen, wem nützen deren Ansätze und konkreten Vorschläge wirklich? Der - in vielen Punkten sicher fragwürdige - Lenin hat es einmal so ausgedrückt: »Ist nicht sofort ersichtlich, welche politischen oder sozialen Gruppen, Kräfte oder Größen bestimmte Vorschläge, Maßnahmen usw. vertreten, sollte man stets die Frage stellen: Wem nützt es?« Es lohnt sich, darüber einmal nachzudenken!

»Bleibt zu bemerken, dass der

»Bleibt zu bemerken, dass der Keynesianismus ziemlich kompatibel mit dem Neoliberalismus ist, teilen sie doch beide den Glauben an den freien Markt.« - Das stimmt nicht. Die makroökonomische Kritik an der Neoklassik relativiert den Stellenwert der Märkte
zumindest sehr erheblich. Keynes war nicht marktgläubig, und zwar weder im Sinne der Altliberalen, noch der Ordoliberalen noch der Neoliberalen. Vgl. hierzu:

http://le-bohemien.net/2013/11/22/liberalismus-und-neoliberalismus/

Sonderstellung der VWL

Die VWL hat in dem Zusammenhang aber eine Sonderstellung. Während Soziologen, Politikwissenschaftler und andere Gesellschaftswissenschaftler empirische Forschung, wie interessengeleitet sie auch sein mag, betreiben, hat sich die theoretische VWL in den 1930ern von ihrem empirischen Gegenstand verabschiedet. Sie ist seitdem zu einer mathematisch formalisierten generellen Optimierungstheorie mutiert, die von Gary Becker und seinen Schülern auch auf außerökonomische Bereiche ausgeweitet wurde, bekannt geworden unter dem Etikett des sog. Methodenimperialismus.