Fetisch Leistung
Eine ganze Ausgabe hat die Zeitschrift Polar dem Begriff der Leistung gewidmet. Darin kommen Perspektiven aus der Alltagswelt, dem Fußball, der Kunst und der Bildung zu Wort. Der Eingangsbeitrag stützt sich auf ein Forschungsprojekt am Institut für Sozialforschung in Frankfurt. Kai Dröge und Sighard Neckel erörtern darin die Bedeutung des Leistungsbegriffs in Gesellschaft und Politik. Denn »Leistung« ist die Grundlage einer wirtschaftsorientierten Vorstellung, nach der die Eliten durch Steuern geschröpft werden. Doch darin wird eine Vorstellung verobjektiviert: Statt einer Diskussion unterschiedlicher gesellschaftlicher Wertvorstellungen wird ein hohes Einkommen mit harter Arbeit gleichgesetzt und als alleiniges Merkmal für »Leistungsgerechtigkeit« gesetzt. Weiterlesen … »
Mythen der Krise
Die Gier der Manager ist schuld. Das System ist schuld. Diese Erklärungsmuster kritisiert der Elitenforscher Michael Hartmann, denn sie werden als unabänderliche Konstanten betrachtet, gegen die wenig getan werden kann, denn Gier ist etwas menschliches. In Wirklichkeit kann der Weg in die Krise nachvollzogen werden, da dieser von Interessen geleitet sei: Weiterlesen … »
Illegal und prekär
In den USA gibt es über 12 Millionen illegale Einwanderer, die meisten von ihnen sind aus Lateinamerika. Häufig ohne ausreichende Englischkenntnisse, haben sie kaum Rechte oder kennen sie nicht. Sie zahlen zwar Steuern, aber erhalten keine Sozialleistungen, viele sind ohne feste Arbeit.
Nun wird über eine Gesetzesreform debattiert. Zwar ist es gelungen, durch große Demonstrationen die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und Druck auf die Regierung zu erzeugen. Das Hauptanliegen der Betroffenen ist dabei eine Legalisierung ihres Aufenthalts. Einige der vorgesehenen Neuregelungen würden jedoch die Lage der Migranten weiter verschlechtern: Detaillierte Datenbanken, schärfere Kontrollen und mehr Abschiebungen.
Schwarzer Tag für Thailand
Der Konflikt zwischen »Rothemden« und Regierung sowie Militär ist in Thailand endgültig eskaliert – das Protestcamp wurde vom Militär aufgelöst, die Börse und ein großes Kaufhaus gingen im Flammen auf. Die Perspektive einer Einigung durch Neuwahlen ist vorerst vom Tisch, die Frage nach dem Weg der Opposition in den Untergrund steht im Raum. Zu diesem Zeitpunkt der Eskalation stellt Nicola Glass in einer Sendung des Deutschlandfunk die poltischen Hintergründe dar. Eine nationale Versöhnung sei nur möglich, wenn das konservative Establishment bereit sei, seine Machtansprüche aufzugeben.
Ohne Geld durch die Welt
Ist ein Leben ganz ohne Geld in unserer Gesellschaft heute möglich? Ja, durchaus: Seit 14 Jahren funktioniert das bei Heidemarie Schwermer. Ohne festen Wohnsitz zieht die 68-Jährige durch die Lande, »verdient« sich notwendige Dinge durch Tausch und Gelegenheitsarbeiten. Dass diese Lebensweise kaum verallgemeinerbar ist, wird von ihr zwar nicht bestritten. Dennoch kann es als symbolischer Widerstand gegen eine übermäßige Konsum- und Leistungsorientierung verstanden werden.
Wir müssen immer nur funktionieren und Leistung erbringen. Und dann sitzen die Menschen da mit ihrem Ego und mit ihrem Neid-Gehabe.
An der Schwelle zum Bürgerkrieg
Der gesellschaftliche Konflikt in Thailand ist nun offen eskaliert, obwohl Beobachter mit einer Entspannung der Situation rechneten. Die Gespräche zwischen Regierung und Opposition sind jedoch vorerst gescheitert; bis jetzt sollen bei den aktuellen Kämpfen zwischen Militär und »Rothemden« 16 Menschen getötet und 140 verletzt worden seien, darunter drei Journalisten und ein leitender Offizier der Opposition. Diese vertritt die ärmere Bevölkerung, die sich nach dem Militärputsch 2006 um die Macht betrogen sieht. Daher fordert sie Neuwahlen – seit März starben jedoch an die 50 Menschen, eine Einigung wird mit jedem Toten unwahrscheinlicher. Mit dem Eingriff des Militärs ist der Machtkampf nun in die entscheidene Phase getreten.
Legitimation und Legalität
Die westberliner Hausbesetzer der 80er Jahre sind ein Mythos, der in den 90er Jahren im Osten eine Neuauflage erfuhr. Durch die Besetzungen wurde das Ende der Flächensanierung durch Abriß ganzer Straßenzüge eingeläutet und neue Anstöße in der Stadtplanung gegeben. Dabei wurde ein Kampf um öffentliche Legitimation zwischen Besetzern und Stadtverwaltung ausgetragen, meinen Andrej Holm und Armin Kuhn in ihrer kleinen Geschichte der Berliner Häuserkämpfe. Die Besetzer erreichten öffentliche Unterstützung durch die Nutzung des Leerstands bei gleichzeitiger Wohnungsnot, während der Senat an einem Korruptionsskandal zerbrach. Die Stadt unter Vogel und später Weizsäcker antwortete mit einer Befriedungsstrategie, die Besetzungen legalisiert oder räumt; dadurch wurde die soziale Bewegung erfolgreich in zwei Lager gespalten.