Presseschau David Cameron

Aufstand der „Surplus-Bevölkerung“

Die Psyche der gewalttätigen Jugendlichen in Großbritannien im Blickpunkt

Als in London Anfang August ein farbiger Mann von Polizisten erschossen wurde und dessen Familie von der Polizei keine Auskunft zu den genaueren Ursachen der Erschießung erhielt, kam es zu spontanen Demonstrationen im Stadtteil Tottenham. Diese eskalierten bald: Zahlreiche Jugendliche legten Feuer, plünderten und zerstörten Geschäfte. Die Reaktion der Polizei war harsch. Der britische Premierminister Cameron sprach von einer moralisch verwahrlosten, anstandslosen Jugend, gegen die man mit kompromissloser Härte vorgehen müsse, Aufnahmen von Tätern wurden auf öffentlichen Großbildleinwänden gezeigt.

Seriöse Ursachenforschung wurde von großen Teilen der Gesellschaft und Medien – auch in Deutschland – nicht betrieben. Ein differenzierteres, wissenschaftlich fundiertes Bild der Ursachen der Gewalteskalation zeichnen der Sozialwissenschaftler und Gefängnispsychologe Götz Eisenberg und der Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer, indem sie die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung aus sozialpsychologischer Perspektive in den Blick nehmen.

Kürzung und Krawall

Sozialkürzungen sind eine Ursache der Ausschreitungen in London
"Tottenhams Gedächtniskirche": Ausgebranntes Gebäude in London
"Tottenhams Gedächtniskirche": Ausgebranntes Gebäude in London Bild von Patrick van IJzendoorn

Mit den Ursachen der Unruhen beschäftigen sich zwei Autoren der Süddeutschen Zeitung: Sie erkennen in ihrer quellenreichen Analyse einen Zusammenhang zwischen dem umfassenden Sparpaket der Regierung Cameron und der sozialen Armut in migrantisch geprägten Bezirken. Ein Parlamentarier hatte auf die Gefahr hingewiesen, daß die gekürzten Sozialbudgets zu einem Rückfall in die 1980er-Jahre führen könnten, in denen London mehrfach von Ausschreitungen betroffen war. London ist eine der Städte mit der größten sozialen Ungleichheit in Europa. Die Plünderungen deuten darauf hin, daß die Jugendlichen auf diese Weise das Konsumversprechen einlösen, von dem sie ansonsten ausgeschlossen sind. Das Sparpaket der britischen Regierung ist der größte Haushaltseinschnitt in Westeuropa, der bereits seit längerem zu radikalen Protesten von verschiedenen sozialen Gruppen – wie Studenten – geführt hat.

»Ein unternehmerischer Staatsstreich«

Die britische Regierung macht Geschenke an Konzernbesitzer
Kirchenturm alt und neu. <br/>Bild von Steve Walesch
Kirchenturm alt und neu. Bild von Steve Walesch

Die britische Regierung unter David Cameron streicht Konzernen Steuern, um »die Wirtschaft wieder aufzubauen.« Die Parteizugehörigkeit Camerons zu erwähnen, wie in Berichterstattungen üblich, ist überflüssig. Denn Raub als Wirtschaftspolitik, oder besser Geldtransfer von den unteren 98% der Gesellschaft zu den oberen zwei, um 'die Wirtschaft anzukurbeln,' war schon unter dem 'Sozialdemokraten' Tony Blair Credo. Wenn ein Konzern, der ja von steuerfinanzierter Infrastruktur, Rechtssicherheit usw. profitiert, keine Steuern zahlen muss, wird sein Anteil an öffentlicher Verantwortung von anderen bezahlt. Es findet also ein Vermögenstransfer statt – von denen, die Steuern zahlen zu denen, die Konzerngewinne einstreichen, die oberen Prozente der Gesellschaft. Weiterlesen … »

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