Presseschau Beitrag

Nichts neues – mal wieder

Amerikanische Regierung übertreibt Bedeutung der nun veröffentlichten Diplomatenberichte

Die Diskussion um Sinn oder Unsinn der neuesten WikiLeaks Veröffentlichung diplomatischer Berichte beschäftigt die Gemüter. Regierende behaupten, die Veröffentlichung gefährde die nationale Sicherheit und bringe Mitarbeiter vor Ort in Gefahr. Simon Jenkins vom britischen Guardian kontert, es sei Aufgabe der Regierung – nicht der Presse – Staatsgeheimnisse zu wahren. Die Regierung habe seit Monaten von dem Verlust der Daten gewusst und genügend Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. Zumal, wenn diese Berichte in der Tat so sensibel wären, warum sind sie dann nicht als streng geheim eingestuft worden und über drei Millionen Staatsbediensteten zugänglich? Wären die Daten so brisant, wie die Regierung behauptet, hätten sie ganz offensichtlich besser geschützt werden müssen.

Ebenso wenig ist es Aufgabe der Presse, Machthaber vor Bloßstellung zu schützen. Alles, was im Namen von Demokratie getan oder gesagt wird, so der Autor, ist erst einmal von öffentlichem Interesse. Außerdem publizieren die vier Zeitungen keineswegs rücksichtslos alles, sondern unterrichteten die amerikanische Regierung von den Themenfeldern der Veröffentlichung und luden diese ein, Einwände zu erheben. Faktisch hat das, was nun schließlich gedruckt wird, kaum aktuelle Dringlichkeit oder Neuigkeitswert. Vielmehr zeige es nur die Korrumpiertheit und Verlogenheit der Machthaber, die Diskrepanz zwischen dem, was sie sagen und dem, was sie tun und illustriere außerdem die unvermeidliche Unsicherheit elektronischer Daten – die genauso gut von anderen Mächten hätten bezogen werden können.

Kommentare

Enorme Ausweitung des amerikanischen Sicherheitsapparats

Tatsächlich ist das Erstaunlichste, wie fahrlässig Zugang zum gesamten Datensatz gewährleistet worden ist. Der Hintergrund ist die enorme Ausweitung des amerikanischen Sicherheitsapparats. Sofern Millionen Zugang zu geheimen Daten haben, ist ein Leck vorprogrammiert, wie John Kornblum völlig zurecht anmerkte.

Wikileaks hat sich allerdings mit dieser Veröffentlichung wohlmöglich selber einen Schaden zugefügt. So wird die Plattform ein wenig zur Die Bunte des investigativen Journalismus. Wirklich relevant erscheint mir nur ein kleiner Teil der Daten: Stichwort Iran/Naher Osten, UNO und Korea.

Der Hype um Wikileaks nimmt mittlerweile etwas absurde Züge an. Eine lesenswerte Kritik dazu hier. Der Wirbel um den Starkult sowie deren Veröffentlichungspolitik wird in der taz kritisch beleuchtet.

Ein wenig erschreckend auch, wie viele Medien die Depeschen für bare Münze nehmen, anstatt sie als subjektiv gefärbte Einschätzungen zu lesen: Besonders schlecht kommen diejenigen in den Beurteilungen weg, die den Interessen der USA nicht entgegenkommen.

Auch interessant: Eine Diskussion bei SWR2 Forum, dazu auch Telepolis. Etwas verwunderlich der Furor von Leyendecker: Denn eine Regierung kann sich kaum beschweren, wie mit ihren internen Daten umgegangen wird, wenn sie selber die UN und alle Welt bespitzelt.