Magazin Beitrag
Journalismus in der Krise
Die weltweite Wirtschaftskrise hat natürlich auch in der Berichterstattung der Medien eine große Rolle gespielt. Die Frage ist nur: Wie wurde sie im Vorfeld und dann nach ihrem Ausbruch 2007 den Lesern und Zuschauern vermittelt? Anhand einer stichprobenartigen Auswahl haben nun zwei Medienwissenschaftler für die Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall eine kostenlos erhältliche und ausführliche Studie vorgelegt. Dabei interessierte die Autoren insbesondere, ob die Print- und TV-Medien umfassend und orientierend berichteten, und ob sie eine kritische Distanz zum Thema wahrten. Die Ergebnisse sind durchaus ernüchternd und werfen ein bezeichnendes Licht auf die deutsche Medienlandschaft.
Gegenstand der Untersuchung waren die großen überregionalen Tageszeitungen SZ, FAZ, FTD, taz und Handelsblatt sowie Tagesschau und Tagesthemen der ARD und die DPA. Dabei wurden im Zeitraum von Frühjahr 1999 bis Herbst 2009 über eintausend Artikel und Beiträge zu 16 exemplarischen Ereignissen ausgewertet. Ergänzend sind zehn Interviews mit Beteiligten und ein umfangreicher Literaturbericht erstellt worden.
Für das Vorspiel der Krise ab 1999 wird allen Medien eine mangelhafte Berichterstattung vorgeworfen; in der Krise dann gestaltet sich das Bild deutlich differenzierter. Besonders gut schneidet hier die Financial Times Deutschland ab, DPA und ARD dagegen finden sich am Ende der Bewertungsskala wieder.
Es kristallisiert sich jedoch als Trend heraus, dass eine allzu verengte Perspektive auf das Geschehen vorherrschte: soziale und ökologische Aspekte wurden nur am Rande dargestellt, und auch die – durchaus vorhandenen – kritischen Stimmen fanden wenig Beachtung. Statt dessen dominierte ein »entpolitisierter Wirtschaftsjournalismus«, der weitgehend in neoliberalen Deutungsmustern verharrte. Dementsprechend waren tagesaktuelle Börsenberichte sowie generell die Sicht der Unternehmen, Manager und Anleger weit überrepräsentiert.
Als Ursachen dieser Entwicklung nennen die Autoren u.a. die übermäßig homogenen Wirtschaftswissenschaften im Hintergrund, wenig Neigung zu selbstkritischer Reflexion in den Redaktionen und die Fokussierung auf wenige und zudem interessegeleitete Akteure der Finanz- und Politiksphäre. Außerdem mangele es oft an der Fähigkeit, komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge allgemein verständlich erklären zu können. In diesem Sinn wird auch die Frage aufgeworfen und in Ansätzen beantwortet, wie künftig derartige fatale Entwicklungen zu vermeiden seien.