Gleichung mit vielen Unbekannten
Noch immer ist weitgehend unklar, wer die neuen Machthaber eigentlich sind und für welche politischen Ideen sie stehen. Im Wesentlichen kann man drei Gruppen ausmachen: Die westlich orientierten ehemaligen Exilanten, die alten Weggefährten Gaddafis, die rechtzeitig abgesprungen sind. Und, als dritte im Bunde, die Islamisten, die auch schon höhere Posten bekleiden.
Dem Übergangsrat geht es aktuell offenbar darum, möglichst viele Strömungen zu integrieren, um weitere Konflikte zu vermeiden. Fraglich ist allerdings, wie lange diese Politik Erfolg haben wird. Über die zukünftige Ordnung in Libyen ist bis dato jedenfalls noch kaum etwas entschieden.
Kein Ende der Proteste
Nach dem zumindest anfänglichen Erfolg der Proteste in Tunesien und Ägypten mobilisieren Oppositionelle auch in anderen Ländern weiter in der Hoffnung auf Wandel. Für dieses Wochenende sind große Demonstrationen angekündigt.
Während es in Marokko verhältnismäßig ruhig und undramatisch hergeht, ist die Lage in Libyen, Jemen und Bahrain eskaliert. Dort gab es nicht nur zahlreiche Tote und Verletzte, sondern auch ein massives Aufgebot an Militär und Polizei. Zudem sind hier z.T. – wie bereits zuvor in Ägypten – regimetreue Schlägertrupps aktiv. Unklar ist nach wie vor, wie sich die Situation in Algerien entwickelt.
Der Stab des letzten Bey
Algerien und Tunesien sind im Aufruhr: Laut unterschiedlichen Angaben von Regierung und Opposition sind in Tunesien in den vergangenen Tagen zwischen 20 und 50 tote Demonstranten durch die Polizei zu beklagen, in Algerien sollen 3 Menschen zu Tode gekommen sein. Nachdem ein verzweifelter junger Mann in Tunesien sich selbst verbrannte, sind die inneren Widersprüche der Länder offen zu Tage getreten. Die Regierung von Zine al-Abidine Ben Ali weiß sich nur durch Abriegelung ganzer Regionen, Kommunikationssperre und härtester Repression zu helfen. Sowohl die Exil-Oppositionelle Sihem Bensedrine als auch die belgische Tageszeitung Le Soir machen Europa für die Misere Nordafrikas mitverantwortlich. Denn die Staaten der Europäischen Union kooperieren eng mit den autoritären Regierungen, haben lediglich Flüchtlingsabwehr und Kampf gegen Islamismus in ihrem Fokus. Weiterlesen … »