Presseschau Wissenschaft

Mit Keynes gegen Keynes?

Betrachtungen zur Renaissance einer Theorie

Philip Plickert erkennt eine Wiedergeburt der Ansichten von John Maynard Keynes zum staatlichen Verhalten in der Wirtschaftskrise. Die Regierung habe demnach die Aufgabe, mittels »deficit spending« die weggebrochene private Nachfrage zu kompensieren. Und das tut sie auch in zahlreichen Ländern.

Allerdings meint der Autor, nun sei es Zeit zum Umdenken, um die Staatsschulden nicht übermäßig in die Höhe zu treiben. Dabei beruft er sich auf einige wenig bekannte späte Texte des Ökonomen. Weiterlesen … »

Heraus aus der Sackgasse

Israel, Gaza und Hamas
Gaza-Stadt, 2009 <br/>Foto von Gloucester2Gaza
Gaza-Stadt, 2009 Foto von Gloucester2Gaza

Muriel Asseburg konstatiert in einer neuen Studie das Scheitern der Gaza-Blockade. Diese habe keineswegs, wie von Israel beabsichtigt, zu einer Schwächung der Hamas geführt. Stattdessen sei aber die Wirtschaft dort zusammengebrochen und die Bevölkerung isoliert worden.

Als Konsequenz fordert die Nahostexpertin nicht nur eine Lockerung, sondern eine dauerhafte Öffnung der Grenzen zu Israel und Ägypten. Nur so könnten die Exporte wieder zunehmen und eine dauerhafte Abhängigkeit von Hilfslieferungen vermieden werden. Der Preis dafür sei die Zusammenarbeit mit der Hamas, sei es offiziell oder – zunächst – informell. Sie sei mittlerweile zu einem Friedensdialog mit Israel bereit.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Schwerwiegende Fehler bei der Wiedergabe von Studien in den Medien

Zwei krasse Beispiele, wie politisch relevante Studien von den Medien falsch wiedergegeben werden, zeigt Stefan Sichermann auf Bildblog: In beiden Fällen wurden Studien des kriminologischen Foschungsinstitut Niedersachen aufgegriffen. So wurde in vielen Medien über einen Zusammenhang zwischen islamischen Glauben und Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen berichtet, obwohl in der Studie dieser ausdrücklich verneint wird. Aus einer gekürzten Interviewpassage in der Süddeutschen Zeitung wurde eine Meldung der Nachrichtenagenturen, die dann in die Medienlandschaft zurückwirkte.

In einem zweiten Fall ging es um die vorgeblich steigende Gewalt gegen Polizeibeamte. Doch die Studie war vom niedersächsischen Innenminister für die Innenministerkonferenz in Auftrag gegeben worden, und daher mit »heißer Nadel gestrickt«. Die Studie weist so viele methodische Fehler auf, daß ihr Ergebnis ohnehin wenig aussagekräftig ist. Dennoch schaffte es die Welt, die Zahlen so umfassend zu verdrehen, daß am Ende »linksextreme Demonstranten« für drei Viertel aller verletzter Beamte verantwortlich sind. Wer immer mal wissen wollte, wie Chomskys Konsensmaschine funktioniert, erhält hier bestes Lehrmaterial.

Wirtschaftspolitik mit der Handbremse

Paul Krugman im Interview

Der Ökonom Paul Krugman kritisiert im Interview mit dem Handelsblatt die deutschen und europäischen Sparbemühungen, denn sie kämen in der Wirtschaftskrise zur Unzeit. Europa brauche eine lockerere Geldpolitik, Konjunkturprogramme und einen Ausgleich zwischen den Staaten. Daher sei Axel Weber die falsche Wahl als Chef der Europäischen Zentralbank. Deutschland belaste durch seine an Geldwertstabilität orientierte Politik den Euroraum und verhindere eine Erholung der Weltwirtschaft: Dies führe zu Konflikten mit den USA.

Fragwürdige Rankings

Die Bewertung wissenschaftlicher Leistungen und ihre Folgen

Alfred Kieser geht – bemerkenswerterweise in seiner Abschiedsvorlesung – der Frage nach, wie Wissenschaft heute bewertet und vergleichbar gemacht wird. Immer häufiger richten sich die verschiedenen Akteure – Universitätsleitungen, Herausgeber von Fachzeitschriften, Berufungskommissionen usw. – nach Rankings. Diese seien jedoch in Methode und Wirkung äußerst fragwürdig. Ein Haupteffekt dieses Systems ist ein extremer Konformitätsdruck: Gut ist, was sich bereits etablieren konnte. Damit wird der Mut zu wirklich neuen Fragestellungen und unkonventionellen Lösungsansätzen aber bestraft. Und so der eigentliche Motor der Wissenschaft abgewürgt:

Und weil sie alle karriererelevante Entscheidungen fällen, wollen die Wissenschaftler genau die Punkte erringen, die im System angerechnet werden. Sie gehen nicht mehr Forschungsfragen nach, die sie im Hinblick auf den Erkenntnisgewinn für wichtig erachten, sie sammeln Punkte für Ranglisten. Sie begeben sich nicht mehr auf wissenschaftliche Entdeckungsreisen, sondern folgen den in Rankings ausgeflaggten Trampelpfaden.

Tierische Probleme

Debatte um Tierversuche in Bremen wirft ethische Frage auf

Christian Weber nimmt in der Süddeutschen Zeitung einen Prozess um Tierversuche an der Bremer Universität zum Anlaß, über das Verhältnis von Mensch und Tier nachzudenken. Denn Kritiker von Tierversuchen messen mit zweierlei Maß, meint der Autor: In der Viehproduktion werde Tieren weit mehr Leid zugefügt als durch Tierversuche. Selbst wer keine tierischen Produkte nutze, mache sich mitverantwortlich, wenn Mähmaschienen jährlich eine halbe Millionen Tiere zerstückeln. Eine ethische Debatte um den Nutzen von Tieren sei also weit komplexer als die Skandalisierung von Tierversuchen.

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