Presseschau Minderheiten

Deutschland und der Antisemitismus

Expertenkommission sieht Antisemitismus in Deutschland auf dem Vormarsch

In einer im Auftrag des Bundesinnenministeriums angefertigten Studie kommt eine Expertenkommission unter Leitung des britischen Historikers Peter Longerich zu dem Ergebnis, dass der alltägliche Antisemitismus in Deutschland zunehme. »Jude« sei auf den Schulhöfen und Fußballplätzen der Republik teilweise wieder ein gängiges Schimpfwort, stereotype Vorstellungen von »den Juden« wären nicht mehr nur am rechten Rand, sondern auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft ein Thema. Insgesamt zwanzig Prozent der Deutschen unterstellt die Studie einen latenten Antisemitismus. Schuld daran sei zum einen die mangelnde finanzielle Förderung von Modellprojekten gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus. Zum anderen kritisieren die Autoren der Studie den Umgang mit dem Thema Antisemitismus in den Schulen: Diese würden die Feindlichkeit gegenüber Juden meist nur in Bezug auf den Holocaust thematisieren. So erscheine das Problem als historisch isoliert und genuin deutsch. Des Weiteren hätten viele Lehrer hohe moralische Erwartungen an ihre Schüler. Sie würden von ihnen fordern, sich für die deutschen Verbrechen gegen die Juden schuldig zu fühlen und so Desinteresse und zum Teil sogar Ablehnung provozieren. Weiterlesen … »

Der neue Sündenbock

Muslimenhass wird langsam salonfähig

In der Not zeigt der Mensch sein wahres Gesicht. Während die Menschen in Oslo ihre Toten betrauern, zeigt sich in der europäischen Öffentlichkeit immer deutlicher die Fratze des Muslimenhasses. Zu einem Zeitpunkt, als es noch gar keine Informationen zu den Hintergründen des grausamen Anschlags in Norwegen gab, wussten einige Redakteure, »Terrorismusexperten« und Internetnutzer schon, wer dafür verantwortlich sein soll: Islamisten. Wie sich später herausstellte, war der Attentäter ein rechtsextremer Norweger. Reflexhafte Schuldzuweisungen dieser Art illustrieren den immer offener zu Tage tretenden Hass auf Muslime in Europa – weit über die sogenannten Stammtische hinaus bis in die Redaktionsstuben. Rassismus fasst langsam wieder Fuss in Europa.

Indiens und Pakistans Geburtsfehler

Spannungen zwischen unterschiedlichen religiösen Teilen der Gesellschaft wachsen stetig in Südasien

Religiöse Minderheiten sind in Südasien oft sozialer Ausgrenzung ausgesetzt. Die Ermordung des pakistanischen Ministers für Minderheiten Shahbaz Bhatti Anfang März ist ein extremes Beispiel dafür. Andrea Spalinger von der Neuen Zürcher Zeitung gibt einen Einblick in das Leben von Mitgliedern einer religiösen Minderheit in Pakistan, deren Alltag von Unfreiheit, Furcht und Ausgrenzung geprägt ist. Die Verfolgung findet dabei nicht nur sozial statt, sondern auch gesetzlich: Das in den achtziger Jahren erlassene Blasphemiegesetz erlaubt hexenjagdähnliche Verleumdungen von Nichtmuslimen. Weiterlesen … »

Brandbeschleuniger

Anschläge auf Moscheen erregen kaum öffentliche Aufmerksamkeit
Allein die Sehitlik-Moschee in Berlin erlebte seit Juni vier Brandanschläge <br/>Foto von the walking disaster
Allein die Sehitlik-Moschee in Berlin erlebte seit Juni vier Brandanschläge Foto von the walking disaster

Der Bundesinnenminister warnte im November eindrücklich vor der Gefahr von Terroranschlägen in Deutschland. Quellenlage und Seriösität der Warnungen blieben unbekannt, ein Anschlag blieb bislang aus. Doch seit dem Sommer hat es bereits 6 Brandanschläge gegeben – auf Moscheen in Berlin. Bisher entstand nur Sachschaden, Menschen wurden nicht verletzt. Das Online-Portal Migazin, das sich die bessere Kommunikation zwischen Migranten und Ureinwohnern in Deutschland auf die Fahnen geschrieben hat, berichtete über die Anschlagsserie: Die Frage steht im Raum, ob die aktuelle Debatte über Migration eine eskalierende Rolle spielt. Auf der anderen Seite erstaunt das geringe Medienecho im Vergleich zur Migrationsdebatte sowie den Terrorwarnungen. Kritisiert wird, daß islamfeindliche Gewalt bislang in der Kriminalstatistik nicht ausreichend erfaßt wird. Eine Studie der Uni Münster stellte eine hohe Islamfeindlichkeit im europäischen Vergleich in Deutschland fest.

Radikalisierung in der Krise

Studien zeigen wachsende Islamfeindlichkeit in Deutschland
Ziel wachsender Ressentiments: Muslime beim Gebet in Berlin <br/>Foto von epha
Ziel wachsender Ressentiments: Muslime beim Gebet in Berlin Foto von epha

Erstaunlich genau deckt sich der Befund der Studie Deutsche Zustände des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung zu Vorurteilen mit den Ergebnissen einer Untersuchung vom Oktober zu Rechtsextremismus: Nahmen die rechtspopulistischen, sexistischen und homophoben Einstellungen langfristig eher ab, ist im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr ein signifikanter Anstieg der Islamfeindlichkeit zu erkennen. Besonders ausgeprägt sei die Zunahme rechtspopulistischer Einstellungen sowie eine Entsolidarisierung im Bürgertum. Die wachsende Islamfeindlichkeit hatte bereits eine Studie der Uni Münster gezeigt: Sie sei in Deutschland stärker ausgeprägt als in anderen europäischen Ländern. Weiterlesen … »

Unter den Augen der Mehrheit

Die Lebensrealitäten von Roma und Sinti in Deutschland

Melanie Longerich versucht im Deutschlandfunk die Lebensrealität von Sinti und Roma darzustellen. Das ist gar nicht so einfach – denn dahinter verbergen sich völlig unterschiedliche Gruppen und Lebensweisen. Einige sind seit Generationen seßhaft in Deutschland und fühlen sich als Deutsche. Andere sind Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Kosovo oder Flüchtlinge aus anderen Teilen Südosteuropas. Dabei ist das Wanderleben oft mehr erzwungen denn gewählt, da es oft eine Flucht vor Diskriminierungen ist. Die daraus folgende Entwurzelung setzt einen Teufelskreis in Gang, wenn Kinder aus Angst nicht zur Schule gehen und ein gültiger Aufenthaltsstatus durch fehlende Papiere erschwert wird. Denn in der deutschen Gesellschaft verbinden viele mit dem Wort Zigeuner noch immer Vorurteile und Klischees.

Blinde Hysterie

Analyse der anti-islamischen Bewegung in Deutschland

Stefan Weidner analysiert die in den letzten Jahren in Deutschland entstandene Anti-Islambewegung. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern ist sie hierzulande damit gescheitert, sich politisch zu formieren. Weder gibt es eine bundesweite, bekannte Anti-Islampartei noch nimmt sich eine der etablierten Parteien der Thematik an. Den Grund dafür sieht der Autor u.a. in der Präsenz dieses Protests in der Mitte der Medienlandschaft: So lange ihm dort ein Forum gegeben wird, so lange benötigt er keine politische Formierung. Außerdem geht die Islamkritik selten über pauschale, auf Unkenntnis fußende Äußerungen hinaus. Politische Forderungen zu stellen würde es nötig machen, sich zu konkretisieren. Dabei lebt gerade diese Bewegung von einem imaginierten Islambild — das immun ist gegen Argumente, Sachlichkeit oder Logik:

Der Kernsatz dieser Glaubenslehre lässt sich auf eine denkbar einfache Formel bringen: Der Islam war nie gut, ist nicht gut und kann nicht gut sein.

Der regelmäßig erhobene Vorwurf, es herrsche ein Denkverbot bei diesem Thema, ist, so Weidner, v.a. Ergebnis der mangelnden Übersetzung des Protests in politische Konsequenzen.

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