Presseschau Beitrag

Die Spitze des Eisbergs

Die Affäre Wulff als kleiner Anteil einer korrupten Republik
Carsten Maschneyer möchte gern im Rampenlicht stehen, hier neben Veronica Ferres
Carsten Maschneyer möchte gern im Rampenlicht stehen, hier neben Veronica Ferres Bild von Hubert Burda Media

Mit einem gewissen Erstaunen nimmt die Republik zur Kenntnis, wie sich ihr Präsident eine ganze Reihe von kleinen Gefälligkeiten reichen ließ: Die Gemüter streiten sich, ob dahinter Ungeschicklichkeit oder System steckt. Doch der Eindruck einer korrupten Elite entsteht insbesondere durch die verdeckte Wahlkampffinanzierung des Versicherungsunternehmers Carsten Maschmeyer1, welche er nicht nur Christian Wulff, sondern bereits Gerhard Schröders zukommen ließ. Denn Machmeyer gilt als das Zentrum der Hannover-Connection, einem Netzwerk, in dem sich Politiker diverser Coleur, Finanzdienstleister, das Management eines Autoherstellers und gar Unterweltgrößen die Hand reichen. Die »politische Korruption« der Schröder-Regierung arbeitete Christoph Lüttgert bereits im Januar in seinem polemisch-investigativem Stil heraus: Die Grenze zwischen politischen und wirtschaftlichen Interessen ist in dieser Reportage nicht zu erkennen. Die Akteure der Drehtürpolitik geben sich ganz ungeniert, indem sich beispielsweise das vormalige Kabinettsmitglied Walter Riester für Voträge bezahlen läßt oder der Regierungsberater Bert Rürup direkt ins Geschäft einsteigt.

Kommentar

Jede Verfehlung Wulffs für sich genommen dürfte noch als Fehltritt durchgehen. Zusammen genommen zeigen sie entweder an Dummheit grenzende Naivität oder eine gewohnte kleine Korruption, die in das Bild der »politischen Landschaftspflege« passt. Unverständlich bleibt, warum Wulff sich auf eher geringe Vorteile um das Geschmäckle der Käuflichkeit einläßt. Seine Beteuerung, er habe von Maschmeyers Einlage nichts gewusst, ist äußerst unglaubwürdig – schließlich bezeichnet er diesen als »Freund« und urlaubt in dessen Villa. Solche durchschaubaren Notlügen machen die Sache nicht besser. Auch wenn Wulff seinen Kredit verspielt haben mag: Am Ende wird er wohl dennoch nicht zurücktreten, aber auch kein zweites Mal kandidieren. Merkel kann sich zwei Rücktritte eines Bundespräsidenten in Folge ebenso wenig leisten wie die Staatsräson. Ironischerweise begann Merkels Aufstieg zur Kanzlerin mit der Wahl Horst Köhlers zum Bundespräsidenten. Der langsame Niedergang ihrer Regierung wird daher an dem Rücktritt und der Beschädigung der von ihr gekürten Präsidenten gemessen. Immer unwahrscheinlicher scheint, daß ihre Regierung bis zum Wahltermin durchhält.

Diese Affäre erinnert an die düsteren Einblicke in die Regierung ihres Vorgängers, deren beiden Spitzen zu Lobbyisten für Pipelines wurden – eine Regierung, die im Rückblick vielen Beobachtern spätestens seit der zweiten Legislatur korrupt und käuflich erscheint. Wulffs Verfehlungen wirken dagegen nur wie die dünne Spitze eines großen Eisbergs. Die schwelende Krise der Demokratie wird dadurch jedoch auch dem letzten Bürger ruchbar. Eine Abrechnung mit den Schröder-Jahren steht aber noch aus. Bedauerlich ist dagegen, wie die Medien in diesem Fall eine Bissgkeit zeigen, welche man im Fall der Nazimorde schmerzlich vermisst.

Kommentare

Parallelen

Belustigt muß ich zu Lütgerts Film das Statement von Bert Rürup anmerken, der Vorwurf des Interessenskonfliktes könne »eigentlich nur in einem kranken Hirn entstehen«. Das wird nur von Bashar al-Assad getoppt, der kürzlich im Interview zu Babara Walters meinte: »Keine Regierung auf der Welt tötet ihre eigene Bevölkerung, sofern sie nicht von einer verrückten Person geführt wird.«

Dem ist nichts hinzufügen.


No government in the world kills its people, unless it’s led by a crazy person.