Presseschau

Bildungsstagnation

Ein Blick auf Südafrikas Schulen

Unqualifizierte Lehrer, marode Gebäude und ein Übermaß an Bürokratie: in Südafrikas Bildungswesen besteht enormer Verbesserungsbedarf. Aber die schlechte Bezahlung sorgt dafür, dass gutausgebildete Lehrkräfte lieber in die private Wirtschaft wechseln, zudem können sich viele Familien die Schulgebühren nicht leisten. Zahlreiche Missstände rühren noch aus der Zeit der Apartheid her, aber damit allein lässt sich die Misere wohl nicht erklären. Denn nach zwanzig Jahren wird klar, dass auch die ANC-Regierungen vieles versäumt haben. Claudia Bröll sieht einen möglichen Ausweg in Spenden von Unternehmen. Diese Inititativen dürften aber kaum ausreichen, um die strukturellen Defizite zu überwinden.

Pegida und Charlie Hebdo

Ein Interview zur aktuellen Lage

Frieder Otto Wolf äußert sich zur Pegida-Bewegung und dem jüngste Anschlag in Paris. Dabei betont er wichtige Unterschiede zwischen Islam, Islamismus und islamistischem Terror. Man dürfe hier nicht vorschnell Gleichsetzungen vornehmen. Grundsätzlich appelliert er an die Vernunft aller Beteiligten, um nicht in einen unfruchtbaren Kulturkampf Ost gegen West hinenzugeraten:

Es gibt einfach keine Alternative zu einem weiteren Ringen um gemeinsame Lösungen für die gesamte Menschheit, so schwer dies auch fällt, wie wir seit dem „Erdgipfel“ von Rio 1992 haben sehen müssen. Alle Versuche, die Probleme nicht zu lösen, sondern nur auf andere abzuwälzen, werden scheitern.

Armut als Wachstumsbremse

Eine Studie der OECD und ihre Hintergründe

Wie die OECD mitteilt, behindert die zunehmende Ungleichheit in fast allen Mitgliedstaaten das Wirtschaftswachstum. In Deutschland etwa sei die Wirtschaft zwischen 1990 und 2010 inflationsbereinigt um 26 Prozent gewachsen; ohne Zunahme der Ungleichheit hätte dieser Wert um rund sechs Prozent höher ausfallen können. Daher müsse die Spreizung der Einkommen von staatlicher Seite bekämpft werden, insbesondere durch Investitionen in die Bildung und gezielte Transferleistungen an Jugendliche und Familien.

Kommentar

In den deutschen Medien wurden die zentralen Ergebnisse der Studie weitgehend kommentarlos und ohne redaktionelle Bearbeitung abgedruckt, so etwa bei Tagesschau, Zeit und der Frankfurter Allgemeinen. Dabei ist sie neben den nackten Zahlen noch aus anderen Gründen bemerkenswert. Zunächst wirft sie ein Schlaglicht auf die Umverteilung in den westlichen Ländern: Seit Mitte der 80er Jahre hat die Ungleichheit in fast allen OECD-Mitgliedstaaten zugenommen, zum Teil sogar deutlich. Über die politischen Hintergründe - in erster Linie wäre hier der forcierte Neoliberalismus zu nennen - schweigen sich die Medien allerdings aus. Vielmehr wird als Erklärung auf die wachsenden Unterschiede in der Bildung verwiesen - so, als ob damit allein die Umverteilung zu erklären wäre. Wo bleiben bei diesem Ansatz aber die massiven Steuersenkungen für Gutverdiener und Unternehmen, wo die Beschneidung von Sozialstaat und Arbeitnehmerrechten?

Interessant ist auch, dass sich die OECD-Studie einer ganz ähnlichen Grundannahme bedient wie das aktuell vieldiskutierte Werk von Thomas Piketty. Demnach sind Ungleichheit und Armut selbst nicht das Problem, sondern sie sind es nur als Wachstumsbremse. Oder zugespitzt formuliert: die Armut der Unterschicht muss bekämpft werden, damit Mittel- und Oberschicht von mehr Wachstum profitieren können.

Investitionsschutz oder Demokratie?

Ein Fall aus der Praxis

Petra Pinzler zeigt an einem konkreten Beispiel, wie sich der internationale Investitionsschutz auswirken kann. Es handelt sich dabei um eine juristische Institution, die auch im derzeit verhandelten transatlantischen Handelsabkommen TTIP verankert werden soll.

Ein Washingtoner Schiedsgericht hatte den rumänischen Staat auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 250 Millionen Dollar an die Unternehmerfamilie Micula verurteilt. Ausgangspunkt des Konflikts war die Tatsache, dass Rumänien beim EU-Beitritt Subventionszahlungen an die Miculas einstellte, weil diese mit EU-Recht nicht vereinbar sind. Die Unternehmer argumentierten daraufhin, dass sie ihre Investitionen in Rumänien unter der Voraussetzung weiter sprudelnder Subventionen getätigt hätten, ihnen also erhebliche Profite entgangen seien.

Mit anderen Worten: Das Recht eines privaten Investors auf Profit wurde vom Schiedsgericht letztlich höher eingeschätzt als die durch demokratische Wahlen legitimierte Entscheidung der Regierung, in die EU einzutreten. Eine ähnliche Konstellation droht übrigens auch in Deutschland. Hier hat der Vattenfall-Konzern den Staat auf 4,7 Mrd. Euro Schadensersatz verklagt, da ihm durch den Atomausstieg eine entsprechende Summe an Gewinnen entgehe.

Eine merkwürdige Verbindung

Zum Erfolg der britischen UKIP

Owen Jones beschreibt die Situation der britischen UK Independence Party, die seit geraumer Zeit das etablierte Parteiengefüge in Großbritannien durcheinanderwirbelt. Gründe für ihren Erfolg sieht er in der schwierigen sozialen und ökonomischen Lage des Landes. Während die Konservativen auf die Wahlergebnisse von UKIP mit einem deutlichen Rechtsruck reagierten, habe es die sozialdemokratische Labour Party versäumt, eine überzeugende Alternative zu formulieren.

Der Autor verweist auf die eigentümliche Tatsache, dass viele Wähler der UKIP zwar aus der Arbeiterschaft kommen, die Partei in ihrer Programmatik dagegen eine dezidiert unternehmerfreundliche Linie verfolgt, beispielsweise in der Sozial- und Steuerpolitik. Wichtigstes Merkmal ihrer Argumentation ist die Kombination aus Ausländerfeindlichkeit und Kritik an der Europäischen Union. Jones geht zwar nicht von einer baldigen Regierungsübernahme der UKIP aus, denn das britische Mehrheitswahlrecht bevorzugt die beiden etablierten Großparteien. Aber allein ihre Existenz könnte diese traditionellen Kräfte zu einem Kurswechsel nach rechts zwingen - erste Anzeichen dafür sieht Jones in entsprechenden Kampagnen der Konservativen.

Risikofaktor TTIP

Eine Neubewertung

Führende Politiker, insbesondere aus der EU-Kommission, werden nicht müde, die Vorteile des gerade verhandelten Freihandelsabkommens TTIP zwischen der EU und den USA zu betonen. Dem steht eine wachsende Zahl von Kritikern gegenüber, die beispielsweise die geplanten Schiedsgerichte für den Investitionsschutz als intransparent und undemokratisch bezeichnen.

Mittlerweile kommt aber noch ein weiteres, durchaus gewichtiges Argument gegen das Abkommen hinzu. Eine aktuelle Studie der renommierten Tufts Universität nahe Boston kommt zu dem Schluss, dass die Wachstumserwartungen älterer Untersuchungen zum Thema weit überzogen sind. Und mehr noch: TTIP gefährde den innereuropäischen Handel, schaffe neue Krisenrisiken und führe zu einer weiteren Umverteilung des Volkseinkommens von der Lohn- zur Kapitalseite.

 

We draw two general conclusions. First, as suggested in recent literature, existing assessments of TTIP do not offer a suitable basis for important trade reforms. Indeed, when a well-reputed but different model is used, results change dramatically. Second, seeking a higher trade volume is not a sustainable growth strategy for the EU. In the current context of austerity, high unemployment and low growth, increasing the pressure on labor incomes would further harm economic activity. Our results suggest that any viable strategy to rekindle economic growth in Europe would have to build on a strong policy effort in support of labor incomes.

Ende des Höhenflugs

Desertec steht vor der Abwicklung

Die Idee war ebenso ehrgeizig wie waghalsig: Mithilfe von Sonnenkraft und Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe sollten in Nordafrika gewaltige Anlagen für erneuerbare Energie aufgebaut werden. Der so gewonnene Strom hätte dann nicht nur die Länder des Maghreb, sondern auch Europa versorgen können. Doch daraus wird wohl nichts: Nachdem in den vergangenen Jahren bereits namhafte Konzerne wie Siemens, Bosch und Bilfinger aus dem Konsortium ausgestiegen sind, wird die Trägergesellschaft DII voraussichtlich Ende 2014 abgewickelt. Allenfalls als kleine Beratungsagentur könnte sie fortbestehen.

Es ist ein ganzes Bündel von Ursachen, die zum Scheitern des Projekts geführt haben. Zunächst sind Solaranlagen mittlerweile so preiswert, dass sich auch mit weniger Sonnenstunden in Mitteleuropa genug Strom generieren lässt, um die Anlagen rentabel zu betreiben. Hinzu kommen die hohen Verluste durch die erforderlichen Überlandleitungen. Des Weiteren vertrauen die nordafrikanischen Länder, vor allem Marokko, lieber auf eigene Projekte. Schließlich konnten sich die zahlreichen Teilhaber nicht über ein gemeinsames Konzept einigen.

In gewisser Hinsicht war es der schiere Gigantismus, der Dersertec zum Scheitern brachte: Er erforderte horrende Investitionen und damit eine große Zahl an Teilhabern mit ganz unterschiedlichen Interessen. Zugleich zeigt die Entwicklung der letzten Jahre auch, dass erneuerbare Energien gerade dann besonders effizient sind, wenn die Anlagen dezentral und damit nahe beim Verbraucher platziert werden.

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