Presseschau Beitrag

»Minimalbeschreibung eines Bürgerrechtlers«

Gaucks Rolle in der DDR ist zweifelhaft: Den einen ist er Freiheitskämpfer, den anderen ein IM
Im Rampenlicht, aber nicht ausgeleuchtet: Gauck zu Besuch bei der FDP, die seine Präsidentschaft durchsetzte
Im Rampenlicht, aber nicht ausgeleuchtet: Gauck zu Besuch bei der FDP, die seine Präsidentschaft durchsetzte Bild von FDP

Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident. Die urspünglich taktische Aufstellung des Pastors und späteren Verwalters der MfS-Akten durch die Oppostion 2010 hat sich durch das Votum der FDP 2012 verselbstständigt. Der Schritt ins Rampenlicht hat zugleich die Frage losgetreten, wie die Rolle Gaucks in der DDR zu bewerten ist. Zugleich steht er aufgrund von Äußerungen zur Einwanderung und der deutschen Vergangenheit in der Kritik. So greift Andreas Strippel die Bezeichnung Gaucks in vielen Medien als Bürgerrechtler oder gar als Freiheitskämpfer an. Dies sei nach den Aussagen damals Oppositioneller nicht richtig, denn er habe sich in der Friedensbewegung nicht eingebracht. Er sei zwar Gegner des »autoritären Polizeistaat[es] DDR« gewesen, dies mache ihn aber noch nicht zu einen Streiter für Freiheit. Vielmehr sei sein Freiheitsbegriff eindimensional und unscharf:

Weder ist Gauck ein Befürworter eines liberalen Individualismus, noch profiliert er sich als Kritiker autoritärer Tendenzen in der westlichen Demokratie.

In diesem Sinne ist sein Freiheitsbegriff verengt auf die Ablehnung des autoritären Sozialismus osteuropäischer Prägung. Gauck sei in der Vergangenheit gefangen:

Das alles macht Gauck natürlich nicht zum Antidemokraten. Seine Standpunkte zur Freiheit wären in den 1950er oder 1960er Jahren auch in Westdeutschland eine progressive Position gewesen, sein Antikommunismus hätte auch prima in die Zeit gepasst. Aber 2012 sind seine Positionen einfach nur noch reaktionär.

Dieser harten, aber abwägenden Kritik an der Stilisierung Gaucks zum Bürgerrechtler stellen sich Kurt Kister und Gustav Seibt in der Süddeutschen Zeitung entegegen. Seibt definiert dazu den Bürgerrechtler:

Als Bürgerrechtler können alle jene Oppositionelle gelten, die vor dem Mauerfall am 9. November 1989 auch außerhalb ihres privaten Umfelds dafür wirkten, dass die Bedingungen für eine freie und offene, also demokratische und gewaltfreie Entscheidung über die Zukunft der DDR und ihrer Gesellschaft möglich würden.

Gauck habe keine Kompromisse mit dem Staat geschlossen und in seiner Kirche ein freies Wort geführt. Daher erkennt er in Gauck – nicht ohne unfreiwillige Komik – die »Minimalbeschreibung eines Bürgerrechtlers«. Dennoch solle nicht der »Bürgerrechtsstatus als Gütesiegel mit unterschiedlichen Graden« gemessen werden – auch wenn Seibt dies einige Zeilen zuvor durch seine »Minimalbeschreibung« selbst tut. Kister erkennt gar »im Netz stationierte Überfallkommandos der Gedankenpolizei«, die als Teil »der deutschen Nörgel-Gesellschaft« Gaucks Rechtslastigkeit kritisieren. Hier setze sich die hyperkritische Berichterstattung zu Wulff fort.1 Gaucks Freiheitsbegriff sei lebensleitend für ihn gewesen und für Westdeutsche nicht nachvollziehbar.

Dennoch wird dieser Freiheitsbegriff von Seibt und Kister leider nicht weiter ausgeführt. Auch bleibt eine fundierte Begründung für die Einschätzung als Bürgerrechtler aus der Biographie heraus aus. Über diese herrschen durchaus kontroverse Meinungen. Am pikantesten ist das sogenannte Terpe-Dossier, benannt nach einem Hauptmann der Staatssicheheit, der am 28. Juli 1988 mit Gauck ein längeres Gespräch führte und protokollierte. Die Interpretation dieser Akte ist widersprüchlich. Gaucks Intimfeind Peter-Michael Distel erkennt durch das Papier einen Wendehals mit großer Staatsnähe.

Pastor Gauck erklärte dem Hauptmann Terpe, er sei nicht gewillt, »mit nicht kompetenten Mitarbeitern des MfS Gespräche zu führen«, er würde sich von vornherein verbieten, »mit einem kleinen Leutnant des MfS zu sprechen«. - Das scheint mir nicht die Sprache eines Widerständlers zu sein, sondern die eines Mitmachbereiten. Mit »kleinen Mitarbeitern« lassen sich »große Dinge« nicht besprechen.

So wurde ein IM-Vorlauf durch Terpe vorgeschlagen, über dessen weiteren Ablauf aber nichts bekannt ist. Zwar äußert sich Gauck kritisch über die DDR, zugleich aber durchgehend staatstragend und keineswegs staatsfern. Der Bericht widerlegt die Behauptung, Gauck sei keine Kompromisse mit dem Staat eingegangen. Ob Gauck später eine IM-Tätigkeit nachging, bleibt unklar: Dazu fehlen Akten, die über das weitere Vorgehen nach dem Vorschlag eines IM-Vorlaufs aufklären. So ist nicht klar, ob dieser tatsächlich angelegt wurde und ob die weiteren geplanten Gespräche stattgefunden haben.

Dennoch hat Gauck für sich und seine Kinder offenbar Reisevergünstigungen erwirken können. So durften ihn seine ausgereisten Kinder besuchen und ihm wurden Anträge auf Reisen in den Westen – gar wenige Tage vor dem Mauerfall – stattgegeben. Dies legt nahe, daß Gauck seine kritische Kooperation fortsetzte. Dafür sprechen auch Stimmen, die über eine entpolitisierenden und mäßigenden Einfluß Gaucks auf die Kirchenopposition berichten.

Kommentar

Aufgrund der bekannten Aktenlage und weiterer Aussagen bleibt Gaucks Verhältnis zum Staat in der Endphase der DDR eine Leerstelle. Diese Fragen wurden in den meisten Medien kaum aufgeworfen. Gauck selber hat diese Fragen brüsk abgewehrt und sich zu seinen Gesprächen mit den Sicherheitsbehörden nicht ausreichend geäußert. Zwar ist eine IM-Tätigkeit fraglich, doch bestand offenbar eine Bereitschaft zur Kooperation.

Seine Darstellung als moralische Autorität wirkt daher fragwürdig. Vielmehr erscheint seine kritische Haltung zur DDR im Kontrast zu dem Terpe-Papier abgründig: Anhand der pragmatischen Haltung zur DDR erscheint sein moralischer Anspruch heuchlerisch. Die Jubelstürme über einen charismatischen Politiker zeigen, daß viele Jounralisten aus der Guttenberg-Affäre wenig gelernt haben. Die Blätter für deutsche und internationale Politik haben anhand eines Interviews, welches Gauck mit Günter Gaus führte, aufgezeigt, wie ungereimt Gaucks Verständnis der deutschen Vergangenheit ist. Bei kritischen Fragen kommt Gauck ins Stammeln und widerspricht sich allzu offensichtlich. Dies gilt offenbar auch für seine eigene Vergangenheit.

  • 1. Kister entgeht dabei wohlfeil, daß die Süddeutsche sich in die Kampagne gegen Wulff hat einspannen lassen.

Kommentare

Gauck - Katze oder Maus?

In einem Land von Mäusen, das von Katzen regiert wird, liegt seit der Gauck-Protektion durch den Verein Atlantik-Brücke e.V. die Vermutung nahe, dass er eine Katze im Kostüm einer Maus sein könnte.

http://www.youtube.com/watch?v=T2Wlz9tl4ZA&feature=channel

oder etwas anders dargestellt

http://www.youtube.com/watch?v=CriGJhBJBpc

Spätestens dann, wenn dem BP das Gesetz zum ESM-Vertrag zur Unterschrift vorgelegt wird, sollte sich herausstellen, ob Herr Gauck zur Gruppe der herrschenden Katzen oder der beherrschten Mäuse gehört.

http://fortunanetz-forum.xobor.de/t14f2-EFSF-ESM.html#msg362