Presseschau Beitrag

Die Vergangenheit der Gegenwart

Ein Streit über die Geschichtsschreibung des Kosovokrieges

Knapp zehn Jahre nach Ende des Kosovo-Krieges hat Franziska Augstein in der Süddeutschen Zeitung die Geschichte der fast vergessenen Intervention bespochen. Sie thematisiert die mangelnde völkerrechtliche Legetimation, die Propagandaäußerungen des damaligen deutschen Verteidigungsmisters, die Zuspitzung des Konfliktes durch die Aberkennung des Autonomiestatus durch Slobodan Milosevic und die mafiöse und nationalistische Struktur der albanischen UCK-Milizen. Als einer der Schlüssel in der Legetimation des Krieges, stelle der Vorfall von Racak dar, auf dessen inszenierten Charakter die Gerichtsmedizinerin Helena Ranta hinweist.

Die Brisanz der Delegetimierung der westlichen Interventionspolitk wird durch die Replik des Autoren Beqë Cufajin der Süddeutschen Zeitung deutlich. Er widerspicht Augstein, indem er die offizielle Lesart der Geschichtsschreibung zur Grundlage nimmt, nach der die Kosovoalbaner Opfer der nationalistischen Politik Milosevic weurde, ohne allzu sehr auf Augstein einzugehen. Cufajin wirft Augstein indirekt das Aufwärmen von Ressentiments und Verschwörungstheorien vor. Diese wenig sachliche und unabhängige Replik zeigt das völlige Auseinanderdriften der Geschichtsinterpretationen: Handelte es sich um eine legetime Abwehr der Kosovaren, der die NATO in ihrem verzweifelten Kampf zur Hilfe kam oder um einen durch inszenierte Massaker legitimierten völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien? Die Abwehr anderer Geschichtsinterpretationen als Verschörungstheorien ist eine wenig konstuktive Grundlage zum Diskurs.

Zu errinern sei hier an die kontrWDR-Dokumentation »Es begann mit einer Lüge«, welche kurz nach Ende des Krieges die Darstellung von NATO und Bundesregierung massiv in Frage stellte. Welche Darstellung des Krieges sich am Ende durchsetzen mag, anhand des Kosovos wird deutlich, daß militärische Interventionspolitik gescheitert ist. Die westliche Allianz hat weder die Vertreibung breiter Teile der serbischen Bevölkerung verhindern können, noch eine zukunfts- oder lebensfähige Zukunft für den Kosovo entwickeln können. Weder im Kosovo, im Kongo, im Irak oder in Afgahnistan hat eine militärische Intervention eine nachhaltige multiethische Friedensperspektive für diese Länder entwickeln können.

Der mafiöse Charakter weiter Teile der ehemalige UCK-Kader, die heute die Regierung stellen, ist zulezt beim BND-Skandal ans Licht gekommen. Die fehlende Nachhaltigkeit von Interventionspolitik auf militärischer Prämissen wurde jüngst auch durch das Friedensgutachten 2009 kritisiert. Eine rechtliche und wirtschaftliche staatliche Grundlage, von der die Bevölkerung profitiert und dadurch akzeptiert wird, sei laut dem Gutachten eine wichtige Grundlage zur nachhaltigen Konfliktlösung. Eine mafiöse und nationalistische Regierung, die direkt mit einem militärischen Arm verbunden ist, stellt in diesem Sinne die denkbar schlechteste Vorraussetzung dar.