Presseschau Medien

Krieg der Kulturen?

Über den angemessenen Umgang mit gezielter Provokation

Florian Rötzer widmet sich der Frage, wie Medien, Politik und letztlich die Bevölkerung selbst Provokationen begegnen sollen. Gerade am Beispiel des neuen Mohammed-Films wird die Problematik des Ganzen deutlich. Den Film selbst nutzen radikale Islamisten, um Hass gegen »den Westen« zu schüren. Hierzulande wiederum instrumentalisieren Gruppen wie die islam- und ausländerfeindliche Partei Pro Deutschland genau diesen Hass und die damit verbundenen Gewaltakte, um ihrerseits Hass zu produzieren. Die Mechanismen der Massenmedien wiederum dienen schon allein durch ihre Berichterstattung genau diesen, eigentlich marginalisierten Gruppen. Denn sie können jetzt eine enorme Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Eine Lösung des Dilemmas ist dagegen nicht in Sicht. Weder sei es akzeptabel, den Film zu verbieten, noch, über die Ereignisse nicht zu berichten. In beiden Fällen wäre die Meinungsfreiheit in Gefahr. Am sinnvollsten scheint da noch ein unaufgeregter, nüchterner Blick zu sein. 

Doppeltes Spiel auf allen Seiten

Warum bei den afghanischen Kriegstagebüchern der brisanteste Teil fehlte
US-Spezialkräfte in Afghanistan
US-Spezialkräfte in Afghanistan Bild von ISAF

Marc Thörner zeichnet im Deutschlandfunk die Veröffentlichung der afghanischen Kriegsmeldungen des amerikanischen Militärs durch Wikileaks und Partnermedien Ende Juli 2010 nach. In diesem bemerkenswerten Feature enthüllt Thörner, warum der brisanteste Teil dieser Geheimdienstsammlung niemals veröffentlicht wurde. Die Warlords der Nordallianz, welche nach der Invasion die Macht in den nördlichen Provinzen übernahmen, unterstützten die Taliban, um die Schwäche der Regierung in Kabul sichtbar zu machen. Der Tadschikenführer Mohammed Atta Nur und der Usbekenführer Raschid Dostum planten die Absetzung der Regierung Karsai um selbst die Macht zu übernehmen. Als Reaktion verbündete sich Karsai mit paschtunischen Milizen. Weiterlesen … »

Ignorierte Kampflust

Warum retten sich die Schlecker-Frauen eigentlich nicht selbst?

Nicht erst seit die Schlecker-Pleite endgültig besiegelt ist, war allerorten von Mitleid für die Beschäftigten die Rede. Besonders wegen der Tatsache, dass sie mit ihrer geringen Qualifikation nur schlechte Aussichten auf einen neuen Job hätten. Dabei wurde jedoch »übersehen«, dass gerade sie in jahrelangen Kämpfen um Betriebsräte bewiesen haben, dass sie ihr Schicksal durchaus selbst in die Hand nehmen können. Und auch nach der Insolvenz noch traten sie mit Ideen hervor, wie ihre Jobs gerettet werden könnten. Die Mehrzahl der Medien hat das aber ignoriert, wie Peter Nowak kritisiert. Stattdessen wird als vermeintlicher Retter lieber Peter Hartz präsentiert.

Am Rande der Weltöffentlichkeit

Ein Bildungsprojekt in Ostkongo sendet mit einer Radiostation für eine friedliche Entwicklung
Schöne Landschaft, schreckliche Verhältnisse: Kivu im Ostkongo
Schöne Landschaft, schreckliche Verhältnisse: Kivu im Ostkongo Bild von Julien Harneis

Nach wie vor schwelt im Osten des Kongo der Bürgerkrieg: Immer wieder kommt es zu Übergriffen, Scharmützeln, Morden und Vergewaltigungen. Die UNO-Truppen »sind ausschließlich damit beschäftigt, sich selbst zu schützen«. Dieses Bild zeichnet eine Reportage von Philipp Maußhardt in dem Autorenportal Magda. Doch neben der deprimierenden Lage kämpfen die Aktivisten der Bildungsorganisation Cereba für Frieden. Durch einen Radiosender erreichen sie eine Bevölkerung, in der die Analphabten in der Mehrheit sind, in einer Region, in der keine Zeitungen existieren. Mit einfachen Mitteln sendet Radio Ushikira über gewaltfreies Zusammenleben, drohende Gefahren und unterhält die Hörer: Ein Hoffnungsschimmer in einem endlos erscheinenden Konflikt, den die Welt vergessen hat.

Doppeltes Spiel

Der Golfstaat Katar unterstützt Aufstände – aber nicht in der eigenen Region
Der Scheich und seine Tochter zu Gast in Damaskus (2008)
Der Scheich und seine Tochter zu Gast in Damaskus (2008) Bild von Ammar Abd Rabbo

Das Scheichtum Katar liegt auf einer Halbinsel im arabischen Golf. Erdgas und Erdöl haben das Land zu Reichtum geführt, mit dem der Monarch Hamad bin Chalifa Al-Thani große Politik betreibt. Denn er hat die Bedeutung der weichen Macht erkannt, also nicht den Einsatz militärischer Mittel, sondern der Medien und diplomatischer Beziehungen. In dieser Funktion sticht der Sender Al-Jazeera hervor, der einen linksliberalen englischen und einen islamisch orientierten arabischen Kanal betreibt. Der Sender galt während der Aufstände im arabischen Raum als sachlicher Beobachter des turbulenten Geschehens. Doch eine Reportage von Stephanie Doetzer im Deutschlandfunk läßt die politische Rolle als Propagandainstrument des Scheichs erkennnen. Denn dieser verfolgt ein doppeltes Spiel: In Libyen und Syrien unterstützt Katar revolutionäre Kräfte mit seiner Medienmacht – aber auch mit Waffen. Zugleich wird die Opposition in den Monarchien auf der arabischen Halbinsel unterdrückt, ohne daß Al-Jazeera entsprechend darüber berichtet.

Katar ist das Hauptquartier der amerikanischen Truppen in der Region, zugleich dürfen aber die Hamas und mittlerweile auch die Taliban Präsenz zeigen. Diese Gratwanderung führt zu Widerspruch in dem Land. Bereits vor zwei Monaten stellte Nora Müller in der Süddeutschen Zeitung dar, daß die Doppelstrategie ein Konzept des Golf-Kooperationsrates und somit aller Golf-Monarchien ist: »zu Hause Restauration, draußen (ein wenig) Revolution«.
 

Dazwischengefunkt

Unabhängige öffentlich-rechtliche Sender?

Vielleicht ist es ja trotz anderslautender Bestimmungen im Grundgesetz nicht verwunderlich: Die Parteien versuchen erfolgreich, die einflussreichen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten unter Kontrolle zu bringen. Besonders über »ihre« Anhänger in den Verwaltungsräten. Dort wird über wichtige Fragen der Sender entschieden, nicht zuletzt auch über das Spitzenpersonal.

Seit dem spektakulären Fall Nikolaus Brenders beim ZDF ist es aber wieder stiller geworden um dieses Problem. Es besteht aber noch immer. Mittlerweile mischen auch die Grünen eifrig mit, obwohl sie lange die schärfsten Kritiker dieses Systems der Parteibuchkarrieren waren. Das könnte natürlich daran liegen, dass sie über ihre grün-rote Landesregierung in Stuttgart ebenfalls Zugriff auf die begehrten Posten bekommen haben.

Manager des Wissens

Die Verfassung der Wikipedia

Heute ist Wikipedia eine der meistgenutzten Seiten im Internet. Und das nicht ohne Grund: Kaum irgendwo sonst findet man Wissen so leicht und komfortabel aufbereitet wie hier. Damit einher geht freilich auch eine Deutungsmacht, die durch den monopolartigen Charakter von Wikipedia noch verstärkt wird. Diese Macht ist dabei aber nicht abstrakt, sondern wird ganz konkret von Einzelnen ausgeübt. Sie entscheiden darüber, ob ein Thema relevant genug, ob eine Information richtig und ob ein Link auf externe Seiten sinnvoll ist. Innerhalb der Wikipedia-Community, an der sich grundsätzlich jeder beteiligen kann, gibt es jedoch auch Hierarchien. Ein neuer Nutzer gilt weniger als ein Veteran, ein Administrator hat mehr Rechte als ein normaler Nutzer. Das mag oft sinnvoll und praktikabel sein, nicht selten führt es aber doch auch zu Machtmissbrauch und Willkür.

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