Presseschau Beitrag

Intellektuelles Proletariat

Zwischen Karrierehoffnung und Prekarisierung

Rund 400.000 wissenschaftliche Hilfskräfte und Mitarbeiter arbeiten im deutschen Hochschulsystem. Sie geben Kurse für Studenten, kopieren Bücher für ihre Chefs, die Professoren, und helfen auf vielfältige Weise dabei, den Betrieb am Laufen zu halten. Die Bezahlung ist eher gering, die Arbeitsbelastung dagegen hoch. Dennoch sind die Jobs beliebt, denn sie scheinen ein Karrieresprungbrett zu sein. Oft genug geht dieser Traum aber nicht in Erfüllung, wie Christian Schneickert mit einer umfangreichen Studie festgestellt hat. Neben der geringen Zahl an verfügbaren Stellen für fertig ausgebildete Wissenschaftler kommt noch ein weiteres Problem hinzu:

Aber natürlich ist klar, dass sich viele Erwartungen langfristig nicht erfüllen werden. Nach dem Examen oder der Promotion geht es nicht automatisch im Traumjob weiter. Der Grund ist ganz einfach und lässt sich wieder mit Bourdieus Feld-Theorie beschreiben. Die Anzahl der Stellen, die hochqualifiziert, hervorragend bezahlt und obendrein noch mit gesellschaftlicher Anerkennung verbunden sind, liegt weit unter der Zahl der Absolventen und Promovenden. Will sagen: die Bewerberinnen und Bewerber sind da und haben eigentlich nichts falsch gemacht. Es fehlen nur die entsprechenden Beschäftigungsangebote. Und hier spielt dann die soziale Herkunft doch wieder eine erhebliche Rolle.

Kommentar

In manchen Punkten ist dem Autor der Studie sicher zuzustimmen. An einer Stelle bemerkt er aber:

Wir sehen ganz sicher Lerntypen neuer Arbeitsverhältnisse, also junge, hochqualifizierte Personen, die sich schon während ihrer Ausbildung an unsichere und entformalisierte Beschäftigungsverhältnisse gewöhnt haben. Sie lernen von Beginn an - mit ihrem ersten regulären Job - prekäre Arbeit kennen, die befristet ist und schlecht bezahlt wird. Kein Wunder, dass sie im Rahmen von »Projekten« denken und sich selbst als einzelne Arbeitskraftunternehmer verstehen. Für die meisten der von uns Befragten ist das allerdings völlig in Ordnung. Sie sind – ähnlich wie beim Thema Löhne – mit dem Status quo zufrieden. Der klassische »9-5 Job« mit Anwesenheitspflicht und festen Arbeits- und Urlaubszeiten ist jedenfalls mittlerweile einfach uncool.

Hier wäre aber doch zu hinterfragen: Ist das wirklich so? Wollen die jungen Nachwuchswissenschaftler tatsächlich solche Arbeitsverhältnisse, oder akzeptieren sie diese nur, weil es keine realen Alternativen gibt? Und wenn sie solche Bedingungen schon so weit internalisiert haben sollten, dass sie das überhaupt nicht mehr kritisch reflektieren, wirft das kein gutes Licht auf die »geistige Elite« unserer Gesellschaft. Davon ist aber kaum auszugehen. Viel plausibler scheint da das Prinzip Hoffnung zu sein: Man geht einfach davon aus, irgendwann den Sprung zu unbefristeten Stellen oder gar der Professur zu schaffen.