Presseschau Beitrag

Gestern und heute

Die Tradition der amerikanischen Kriegsstrategie im Irak und in Afghanistan

Die USA nutzen spätestens seit der Surge-Offensive (zu deutsch 'Welle') im Irak Methoden der Aufstandsbekämpfung, die sich am Repertoire der Kolonialherrschaft bedienen. Der Kern der Strategie ist die Trennung von Aufständischen und Zivilbevölkerung sowie das Ausspielen unterschiedlicher Gruppen gegeneinander. Dazu zählt aber auch zivile Aufbauhilfe, um die Bevölkerung zu gewinnen, und die systematische Folter von Gefangenen, um die im Kampf entscheidenden Information zu erpressen. David Petraeus und Stanley A. McChrystal waren federführend dabei, diese Konzepte im amerikanischen Militär durchzusetzen. Dabei gibt es eine Linie aus den Erfahrungen und Methoden des französischen Militärs, wie sie im Algerienkrieg angewandt wurden. Diese Linie, die nicht nur im Pentagon diskutiert wird, stellt der Historiker Stephan Malinowski in der Zeit dar:

Auch das britische Field Manual zur Aufstandsbekämpfung sowie französische Militärzeitschriften quellen seit einigen Jahren von Vorschlägen zur Rezeption spätkolonialer Aufstandsbekämpfung über. Und selbst die nicht nur in deutschen Debatten lange Zeit aufrechterhaltene und mit völkerrechtlichen Begriffen gepanzerte Illusion, in Afghanistan finde kein Krieg, sondern militärisch protegierte Aufbauarbeit statt, folgte spätkolonialen Vorbildern.

Damit stellt Stephan Malinowski neben dem Journalisten Marc Thörner einen der wenigen Köpfe dar, die diesen bedeutenden strategischen Schwenk der deutschen Öffentlichkeit bekannt machen. Er hatte bereits im September in der Reihe Politische Gewalt des Deutschlandfunk einen Beitrag zur Kulturgeschichte kolonialer Macht- und Gewaltstrategien verfasst. In diesem spannt er einen Bogen von Joseph Conrads berühmten Werk »Im Herzen der Finsternis«, über den davon inspirierten Film »Apocalypse Now« von Francis Ford Coppola zu Werner Herzogs »Aguirre, der Zorn Gottes«. Ausgehend von dieser Tradition der Gewalt zeigte er die Kontinuitäten der Machtpolitik von früher Kolonialzeit bis zu heutigen Kriegen des Westens auf.