Presseschau Beiträge von Axel Weipert

Die enteignete Revolution

Was ist aus dem arabischen Frühling geworden?
Protestdemo gegen die Reformverschleppung. Tahrirplatz Kairo, am 8. Juli 2011
Protestdemo gegen die Reformverschleppung. Tahrirplatz Kairo, am 8. Juli 2011 Bild von mmoneib

Werner Pirker analysiert den Stand der Dinge in den arabischen Ländern: Wohin haben sich die Revolutionen entwickelt, und warum? Besonderes Augenmerk richtet er dabei auf die Politik des Westens. Dieser habe dem Wandel anfangs eher skeptisch gegenübergestanden, da die jahrzehntelang erprobte Kooperation mit den autoritären Eliten in Gefahr geriet. Später habe man sich stattdessen darauf verlegt, die Neuordnung zumindest nachhaltig zu beeinflussen.

Als entscheidenden Wendepunkt sieht Pirker den Fall Bahrain: Eine Volksbewegung wurde hier von den reaktionären Golfdynastien brutal unterdrückt. Und die USA, die eng mit dem Regime zusammenarbeiteten, auch wegen der großen Militärbasis vor Ort, schauten zu. In Libyen dann nahm man mittels direkter Militärintervention massiv Einfluss, ähnliches steht in Syrien bevor. Von zentraler Bedeutung ist schließlich Ägypten als bevölkerungsreichstes Land der Region. Hier erstickte erst die westlich unterstützte Armee die Volksbewegung, dann übernahm die Organisation der Muslimbrüder die Macht. Deren Charakter erscheint zwiespältig: »Sie hat zwei Gesichter, das eine ist der Demokratie zugewandt, das andere der Oligarchie.« Es bleibt jedenfalls vorerst offen, ob die Umwälzungen schon beendet sind oder es einen neuen revolutionären Schub geben wird.

Schatten der Vergangenheit

Frankreichs und Großbritanniens Politik gegenüber Syrien
Die Aufteilung des Nahen Ostens
Die Aufteilung des Nahen Ostens Bild von Ian Pitchford

Ähnlich wie Obama hat nun auch Frankreichs neuer Präsident Hollande offen von einem möglichen Militäreinsatz des Westens gesprochen. Dabei gehe es um humanitäre Erwägungen. Außerdem regte er die Bildung einer Gegenregierung an und versprach dieser Unterstützung.

In der Tagesberichterstattung ging dabei weitgehend unter, dass Frankreichs Einmischung in der Region keineswegs neu ist. Schon während des Ersten Weltkriegs bemühte sich das Land erfolgreich um Einflussnahme. Im Rahmen des Sykes-Picot-Abkommens sicherte man sich den Zugriff auf Syrien und den Libanon, während gleichzeitig Großbritannien der Irak, Jordanien und weitere Teile des Nahen Ostens zufallen sollten. Bis dahin war die Region vom Osmanischen Reich beherrscht worden, das nach seiner Niederlage die Kontrolle an die beiden Siegermächte übergeben musste. Besonders pikant an der diplomatischen Initiative war, dass die Briten zugleich den Arabern für ihre Waffenhilfe politische Unabhängigkeit versprachen. Nach den Kämpfen war davon dann freilich keine Rede mehr. Genausowenig, wie die Franzosen bereit waren, den Syrern Autonomierechte zu gewähren.

Diese Vorgeschichte sollte man berücksichtigen, wenn über Interventionen nachgedacht wird. Denn sie zeigt zweierlei: Einmal, dass es dabei immer auch um handfeste Eigeninteressen der fremden Mächte geht. Und zweitens, dass diese gern mit schönen Versprechen an die betroffene Bevölkerung bemäntelt werden. Schon die Kontrolle über Syrien wurde Frankreich seinerzeit übrigens offiziell als Mandatsgebiet des Völkerbundes übertragen – faktisch war das Land dann jahrzehntelang eine Kolonie.

Ausgeträumt

Auflösungstendenzen in Europa

Gewiss, das Projekt eines friedlichen, vereinten Europas wurde schon immer vorzugsweise in Sonntagsreden bemüht. Dennoch dürfen seine Errungenschaften nicht unterschätzt werden - genausowenig, wie die Vereinigung ein Selbstläufer ist. Gerade in den letzten Jahren verstärken sich jene Tendenzen, die dieses säkulare Projekt infrage stellen. Das gilt für die Ebene der Staaten und für die der innerstaatlichen Regionen, meint Orlando Pascheit. Einmal zeige sich dies am Agieren der wirtschaftlich starken Länder wie Deutschland gegenüber der kriselnden Peripherie, zum anderen an den Absetzbewegungen der leistungsfähigen Regionen wie Katalonien, Norditalien oder hierzulande auch Bayern. Im schlimmsten Falle drohe nun eine Entwicklung ähnlich der Jugoslawiens in den 80er und 90er Jahren. Und das kann eigentlich niemand wünschen.

Kawumm für die Heimatfront

Ein Comicalbum über den Afghanistankrieg

Arne Jysch hat eine vielbeachtete Comic-Geschichte über die Bundeswehr in Afghanistan geschrieben und gezeichnet. Unterstützt wurde er dabei nicht zuletzt auch von der Armee selbst. Michael Schulze von Glaßer hat das Werk nun eingehend analysiert. Dabei kommt er zu einem durchaus differenzierten Fazit: Es gebe mehrfach Kritik an dem Einsatz, geäußert von einzelnen Protagonisten der Story. Dennoch reproduziere Jysch auch fragwürdige Stereotype - beispielsweise von den idealistischen deutschen Soldaten oder den fanatischen Taliban. Zugleich prangert der Autor auch die Ignoranz der Heimat gegenüber der Truppe an. Schulze von Glaßers abschließendes Urteil:

Für die Armee ist „Wave and Smile“ ein Glücksfall: auch wenn die Militärführung in dem Comic nicht gut wegkommt und Kritik an der Bürokratie in der Armee geübt wird, war Arne Jyschs Buch ein medialer Werbe-Coup der Bundeswehr. Nahezu alle großen deutschen Medien haben sehr positiv über die Veröffentlichung und damit auch über den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch berichtet – damit unterstützt „Wave and Smile“ die Bundeswehr bei der Bekämpfung des „freundlichen Desinteresses“ ihnen und ihrem Einsatz gegenüber.

Zeit für eine Wende

Eine Korrektur von Steuer- und Finanzmarktpolitik wäre notwendig

Die Wohlhabenden unter den Deutschen besitzen ein gewaltiges Vermögen, etwa 7,2 Billionen Euro. Wohlgemerkt: die Wohlhabenden. Denn ein Drittel dieses Eigentums konzentriert sich auf das reichste Prozent, ein weiteres Drittel auf die folgenden neun Prozent der Bevölkerung. Ein Großteil dagegen verfügt über keinerlei Vermögen. Die Verbindung aus »Bankenrettungspaketen« in der Finanzkrise und der sozial unausgewogenen Steuerpolitik der letzten Dekade hat zu dieser Entwicklung erheblich beigetragen. Zugleich stiegen die staatlichen Schulden in schwindelerregende Höhe. Angebracht wäre deshalb eine Belastung eben dieser Privatvermögen - um weitere Kürzungen bei notwendigen Ausgaben zu vermeiden und stattdessen all das zu finanzieren, das wirklich der Gesamtheit zugute kommt, findet Dierk Hirschel. Die Vermögensabgabe ist auf diesem Weg allerdings nur ein erster Schritt.

Der Anstieg der Staatsverschuldung ist nicht das Ergebnis laxer Haushaltspolitik, sondern Folge einer schamlosen politischen Reichtumspflege und der großen Finanzmarktkrise. Das Gemeinwohl schrumpfte zugunsten steigender Vermögen. Und jetzt sollen die Schuldenberge dadurch abgetragen werden, dass abhängig Beschäftigte, Rentner und Arbeitslose den Gürtel enger schnallen. Damit muss endlich Schluss sein. Die Schuldenfrage ist eine Verteilungsfrage. Der private Reichtum muss jetzt zum Abbau der Staatsschulden herangezogen werden. In den letzten Wochen wurde in diesem Zusammenhang verstärkt über das Instrument einer Vermögensabgabe diskutiert. Das ist gut so. Eine einmalige Vermögensabgabe auf Geld-, Immobilien- und Betriebsvermögen könnte einen wichtigen Beitrag leisten, um den milliardenschweren Schaden der Finanzmarktkrise zu beheben.

Sonnenkönig im Fußballreich

Der Führungsstil des Sepp Blatter
Sepp Blatter
Sepp Blatter Bild von republicoftogo.com

Im jüngsten Korruptionsfall beim Fußball-Weltverband FIFA ist sie wieder zu beobachten, die selbstherrliche Amtsauffassung des Präsidenten Sepp Blatter. Schon viele Skandale hat er überstanden, manchen lästigen Konkurrenten ausgebootet. Zuletzt den Gegenkandidaten Mohamed Bin Hamam, der nach lancierten Bestechungsgerüchten erst gar nicht zur Wahl antrat. Seine Macht gründet sich dabei auf das erfolgreiche Geschäftsgebaren des Verbandes. Früher finanziell oft in arger Bedrängnis, hat Blatter die FIFA zu einem hochprofitablen Konzern umgebaut. Damit kauft er sich vor allem die Zustimmung der kleinen, von diesen Geldern abhängigen Landesverbände. Aber selbst die mächtigen nationalen Organisationen wie der größte von ihnen, der deutsche DFB, tanzen nach Blatters Pfeife.

Halbe Sachen?

Nochmals zum Vorschlag einer Vermögensabgabe des DIW

Stefan Bach, Autor der aufsehenerregenden Idee einer einmaligen Vermögensabgabe, nimmt in einem Beitrag für die Zeit Stellung zu den Vorwürfen der Medien und Ökonomen. Vielfach wurde sein Vorschlag als »Enteignung«, als »naiv und gefährlich« oder - mittlerweile allerorten ein fragwürdiges Standardargument - als abträglich für das Vertrauen der Märkte bezeichnet. Dem entgegnet Bach: Jede Steuer ist als Zwangsabgabe ohne direkte Gegenleistung de facto eine Enteignung, also auch beispielsweise die Mehrwertsteuer - die aber untere Einkommensgruppen weit überproportional belastet. Enteignungen sind auch vom Grundgesetz gedeckt, so lange eine Verhältnismäßigkeit gewährleistet bleibt. In den letzten Jahren haben Vermögende ohnehin von Reformen im Steuerrecht massiv profitiert. Im Übrigen würden mögliche Staatspleiten oder ein Ende des Euros Reiche weit mehr kosten als diese Maßnahme. Weiterlesen … »

Inhalt abgleichen