Medium Zeitungen

»Gegen die natürlich Ordnung«?

Zu einer Gerichtsentscheidung in Indien

Das Oberste Gericht Indiens hat diese Woche eine heftig umstrittene Entscheidung eines untergeordneten Gerichts für ungültig erklärt. Dieses hatte 2009 das Verbot von Homosexualität für ungültig erklärt, da es mit dem Verfassungsgrundsatz der Gleichheit nicht vereinbar sei. Nun bleibt nur noch die Möglichkeit, auf parlamentarischem Wege das diskriminierende und mit harten Strafen bewehrte Gesetz abzuschaffen. Das aber ist unwahrscheinlich. Denn die konservative Hindu-Partei BJP befindet sich augenblicklich im Aufwind und setzt dadurch auch die liberalere Kongresspartei unter Druck, die aktuell die Regierung stellt. Eine offene Debatte über das Thema versucht die Kongresspartei daher möglichst zu verhindern.

Ökologisch, sozial, demokratisch

Zum Volksentscheid über das Berliner Stromnetz
Ökologisch, sozial, demokratisch
Bild von Steys

Am 3. November können die Berliner darüber abstimmen, ob sie das kommunale Stromnetz wieder in die öffentliche Hand übernehmen wollen. Die Materie ist jedoch komplex, nicht zuletzt, weil die Betriebskonzession unabhängig vom Ausgang des Volksentscheids in einem offenen Bieterverfahren ausgeschrieben werden muss. Die Initiatoren des »Berliner Energietischs« und die Oppositionsparteien Linke, Grüne und Piraten hoffen auf ein positives Votum der Wähler wie jüngst in Hamburg oder schon früher bezüglich der Wasserbetriebe in Berlin. Klar gegen den Gesetzentwurf des Volksentscheids haben sich die Wirtschaftsverbände, der Berliner Senat und auch die Gewerkschaften ausgesprochen. Sie argumentieren vor allem mit den hohen Kosten und dem Umstand, dass die Strompreise kaum sinken würden.

Es sprechen aber auch gewichtige Gründe für den Vorschlag. Denn die Initiatoren verweisen auf die stabilen Gewinne von etwa 80 Millionen Euro jährlich, die sich aus dem Betrieb des Netzes generieren lassen und so den Kauf selbst finanzieren könnten. Unter anderem soll auch ein Stadtwerk gegründet werden, um soziale Härten auszuschließen, etwa die jährlich rund 19.000 Fälle, in denen der bisherige Betreiber Vattenfall säumigen Kunden den Strom abschaltete. Des weiteren soll das geplante Stadtwerk vor allem ökologisch und dezentral produzierten Strom vertreiben. Besonders bemerkenswert ist der Vorschlag, dieses Stadtwerk demokratisch durch gewählte Bürgervertreter und Mitarbeiter kontrollieren zu lassen. Dieses wirtschaftsdemokratische Element könnte durchaus Vorbildcharakter bekommen. Wohl eher aus taktischen Gründen hat der Senat noch kurz vor der Abstimmung ebenfalls beschlossen, ein eigenes Stadtwerk gründen zu wollen. Dieses aber wird deutlich weniger anspruchsvoll in seinen Zielen sein.

Forschung, Politikberatung, Agenda Setting

Ein wirtschaftswissenschaftliches Ranking der FAZ

Die FAZ hat ein umfangreiches Ranking einflussreicher Wirtschaftswissenschaftler aus dem deutschsprachigen Raum verfasst. Natürlich kann man über die grundsätzliche Berechtigung von Rankings streiten. Sie dienen ja nicht nur der Information, sondern oft auch als ein probates Mittel für Agendasetting und zur Zementierung von Machtverhältnissen. So vermutlich auch hier. Es fällt jedenfalls auf, dass die weit überwiegende Mehrzahl der genannten Wirtschaftswissenschaftler waschechte Neoliberale sind. Das spiegelt einerseits ganz gut die faktische Dominanz dieser Schule innerhalb des Wissenschaftsbetriebs wider, andererseits befestigt es deren Position noch durch solche »Gütesiegel«. Andere Richtungen, etwa Keynesianer oder Marxisten, spielen dagegen kaum eine Rolle in dem Ranking. Ob der für das Ranking u. a. verwendete H-Index wirklich so aussagekräftig ist für die fachliche Bedeutung eines Forschers, kann man mit guten Gründen bezweifeln. Dennoch zeigt sich als interessantes Detail, dass Hans-Werner Sinn, »Deutschlands klügster Professor« (BILD), zwar in den Teilrankings Medien und Politik jeweils als Nummer eins eingestuft wird, in der Beurteilung seiner Forschungsleistung dagegen nur abgeschlagen im Mittelfeld landet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Der Rubel rollt

Fußball-Bundesliga mit neuen Rekorden
Oft überstrahlt der Kommerz den Sport
Oft überstrahlt der Kommerz den Sport Bild von Marcus Unger

Ob man den Gesamtumsatz aller 18 Bundesligaclubs - gut zwei Milliarden Euro - betrachtet, oder einzelne Posten wie Fernsehgelder, Ticketing und Merchandising: Die Bundesliga legt Jahr für Jahr ordentlich zu. Zugleich steigen auch die Ausgaben, etwa für Spielergehälter um gut fünf Prozent im Vergleich zur Vorsaison, oder für die Ablösesummen. Damit steht die Liga finanziell auf Rang zwei in Europa, nur noch hinter der englischen Premier League. Und der Abstand schrumpft auch hier.

Die voranschreitende Kommerzialisierung wäre undenkbar ohne die parallel zunehmende Berichterstattung in den Medien. Der Fußball als familienkompatible Unterhaltungsware hat längst das Image des Proletensports abgelegt, das ihm noch vor 20 Jahren anhaftete. Das Fernsehen an erster Stelle diktiert die Wahrnehmung des Produkts Bundesliga, immer wichtiger wird neben dem eigentlichen Sport das »drumherum« an Talkshows, Homestories und dergleichen mehr. Von kritischer Distanz ist kaum die Rede, schon gar nicht bei einem Sender wie Sky, der hunderte von Millionen Euro jährlich in die Senderechte investiert.

Nicht nur fürs Gemeinwohl

Private Stiftungen und ihre Folgen

In den Jahren der Regierungen Schröder und Merkel wurde das deutsche Stiftungsrecht erheblich verändert, vor allem steuerlich zugunsten privater Stiftungen. Die Folge ist ein Boom dieser Rechtsform, mittlerweile existieren fast 20.000 davon. Zwar engagieren sich gemeinnützige Stiftungen in vielen gesellschaftlichen Bereichen, teilweise mit hohen Summen. Aber diese Wohltätigkeit ist - trotz erheblicher Steuervorteile, also letztlich unter finanzieller Beteiligung der Allgemeinheit - in keiner Weise demokratisch legimitiert oder kontrolliert. Stattdessen entscheidet der Stifter nach eigenem Gutdünken über die Verwendung der Mittel. Anders als etwa in den USA müssen Einnahmen und Ausgaben auch nicht veröffentlicht werden. Aber Stiftungen werfen noch weitere Probleme auf. Denn trotz ihrer offiziellen Gemeinnützigkeit dienen sie häufig durchaus eigennützigen Motiven. Das kann sich in politischer Einflussnahme oder auch schlicht durch die Bildung von persönlichen Netzwerken und dergleichen manifestieren. Matthias Holland-Letz fordert deshalb eine Reform des Stiftungsrechts.

»Die NSA darf in Deutschland alles machen«

Die Überwachung durch Freunde hat eine lange Tradition

Der Historiker Josef Foschepoth hat eine bemerkenswerte Studie zur Geschichte der alliierten Geheimdienste in Deutschland vorgelegt. Nun äußert er sich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung zum aktuellen Überwachungsskandal. Dabei spart er nicht mit deutlichen Worten der Kritik sowohl an der Geheimdienstpraxis als auch an der Politik sämtlicher Bundesregierungen seit Adenauer.

Die NSA darf in Deutschland alles machen. Nicht nur aufgrund der Rechtslage, sondern vor allem aufgrund der intensiven Zusammenarbeit der Dienste, die schließlich immer gewollt war und in welchen Ausmaßen auch immer politisch hingenommen wurde. […] Letztlich ist es nur Sache der Öffentlichkeit und der Zivilgesellschaft, den nötigen Druck zu erzeugen, der in der Lage ist, die beschädigte Verfassung, die teils schlimmen gesetzlichen Regelungen und Paragrafen, nicht zuletzt die noch geltenden deutsch-alliierten geheimen Vereinbarungen zu ändern beziehungsweise abzuschaffen.

Türkische Märchenstunde

Deutsche Bundesregierung schickt Truppen aufgrund von Propaganda
Kriegsnebel
Kriegsnebel Bild von Hovic

Als »Nebel des Krieges« wird der Schleier aus Lügen bezeichnet, der jeden Krieg umgibt wie Pulverdampf die Kanonen. Durch das Internet sind wir nicht zwangsläufig besser informiert, die Desinformation erreicht uns aber schneller. Steven Geyer und Frank Nordhausen hinterfragen in der Frankfurter Rundschau zwei Propagandalügen des Syrienkrieges. Aufgrund des vorgeblichen Abschußes eines türkischen Flugzeuges entsandte die Bundesregierung Patriot-Raketen in die Türkei. Doch nicht nur blieb umstritten, ob der Absturz auf syrischem Hoheitsgebiet begann. Vielmehr konnten »keine Spuren von Raketenbeschuss am Wrack des veralteten F4-Phantom-Jets« nachgewiesen werden. Auch beim jüngsten Attentat im türkischen Reyhanli nahe der syrischen Grenze stellen sich Fragen: So soll der türkische Geheimdienst MIT Warnungen ignoriert haben. Wie dem auch sei: Die deutschen Medien geben in der Mehrzahl ein schlechtes Bild im syrischen Bürgerkrieg ab, indem sie die Hintergründe ausblenden und sich vor den Karren einer Kriegspartei oder den Interessen der Regionalmächte spannen lassen.

Inhalt abgleichen