Magazin Beitrag

Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus

Eine Einschätzung

Kürzlich hat Bundesinnenminister Friedrich in Berlin das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR) eröffnet. An zwei verschiedenen Standorten (Köln und Meckenheim bei Bonn) sollen rund 140 Beamte verschiedener Behörden die rechtsextremistische Szene überwachen. Ist mit der Gründung des „GAR“ die unterstellte Blindheit der Behörden gegenüber rechtsextremistischen Straftaten überwunden oder handelt es sich um politischen Aktionismus, mit dem der Minister hauptsächlich dem Vorwurf der Untätigkeit entgehen will?

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„Die Polizei darf alles machen“

Eines vorweg: Bei dem „Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus“ handelt es sich nicht um eine neue Behörde sondern lediglich um eine Plattform, auf der bereits bestehende Behörden zusammentreffen, um sich über Erkenntnisse aus der rechtsextremen Szene auszutauschen.

Das GAR besteht aus rund 140 Beamten verschiedener Behörden, hierunter die Landeskriminalämter, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, Europol, die Bundesanwaltschaft, die Landesbehörden für Verfassungsschutz, das Bundesamt für Verfassungsschutz, der militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst. Im Rahmen täglicher Meetings wollen die Beteiligten die rechte Szene künftig gemeinsam durchleuchten und Gewalttaten besser vorbeugen und bekämpfen.

Um nicht in Konflikt mit dem sogenannten Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdienst zu geraten, operiert das GAR von zwei verschiedenen Standorten aus, die strikt getrennt bleiben sollen. Die Polizeikräfte arbeiten von Meckenheim bei Bonn aus, die Geheimdienste bleiben in ihrer Kölner Zentrale. Hierzu Heinz Fromm, der Chef des Verfassungsschutzes bei der Eröffnung des GAR: „Die Polizei darf alles machen, aber nicht alles wissen. Wir dürfen alles wissen, aber nicht alles tun.“

Gibt es ein Trennungsgebot?

In Deutschland geht man im Allgemeinen davon aus, dass eine enge Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten gesetzlich verboten ist. Obwohl es gute Gründe gibt, die für ein solches Trennungsgebot sprechen, sind die bestehenden Regelungen keineswegs eindeutig.

Ab 1933 hat die geheime Staatspolizei (Gestapo) im nationalsozialistischen Deutschland sukzessive die Rolle einer politischen Polizei übernommen. Hierzu wurde sie mit weitreichenden exekutiven Befugnissen ausgestattet und war nicht an das „geltende Recht“ gebunden. Die Folgen sind bekannt. Per „Polizeibrief“ vom 14. April 1949 machten die Militärgouverneure der westdeutschen Besatzungszone dem verfassungsgebenden parlamentarischen Rat verschiedene Vorgaben, die verhindern sollten, dass in Deutschland erneut eine übermächtige, politische Geheimpolizei entstehen kann. Hierzu wurden zunächst die Befugnisse einer zu gründenden Bundespolizei (später Bundeskriminalamt (BKA) und Bundesgrenzschutz (BGS)) einschränkend definiert. Weiterhin wurde ausgeschlossen, dass die Bundespolizei gegenüber den Landespolizeibehörden weisungsbefugt ist. Genehmigt wurde die Einrichtung einer Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Informationen über umstürzlerische Tätigkeiten (später Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)). Diese Behörde sollte jedoch keine polizeilichen Befugnisse erhalten.

Zwar flossen die Vorgaben der Militärgouverneure in das Grundgesetz ein. Allerdings fehlt es hier an Eindeutigkeit. Im Rahmen einzelner Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht insofern mehrmals darauf hingewiesen, dass sich ein Trennungsgebot zwar aus der Verfassung ergeben könne. Aufgrund „fehlender Relevanz“ wurde durch das Gericht jedoch nicht abschließend und verbindlich hierüber entschieden. Von daher beruht das unterstellte Trennungsgebot auf einzelnen Gesetzen, wie zum Beispiel dem Bundes-Verfassungs-Schutz-Gesetz (BVerfSchG). Aus diesem einfachgesetzlichen Recht ergibt sich ein Trennungsgebot aus drei unterschiedlichen Gesichtspunkten.

Funktionelle Trennung

Polizei und Verfassungsschutz erfüllen verschiedene Aufgaben. Während die Polizei für Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zuständig ist, beschäftigt sich der Verfassungsschutz mit der Gewinnung von Informationen über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.

Zwischen beiden Funktionsbereichen gibt es Berührungspunkte und Überschneidungen.

Kompetenzielle Trennung

Gemäß Gesetz ist dem Verfassungsschutz der Einsatz polizeilicher Mittel untersagt. Hieraus könnte man schließen, dass umgekehrt auch gilt, dass die Polizei keine nachrichtendienstlichen Befugnisse hat.

Das trifft jedoch nicht zu. Im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Kompetenzen ist die Polizei nämlich zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel berechtigt.

Organisatorische Trennung

Der Verfassungsschutz darf keiner polizeilichen Behörde angegliedert sein und umgekehrt. Organisatorisch müssen beide Behörden also grundsätzlich getrennt voneinander operieren. Letztlich beschränkt sich das ursprünglich als essentiell angesehene Trennungsgebot also darauf, dass Verfassungsschutz und Polizei nicht innerhalb einer gemeinsamen Organisationseinheit geführt werden dürfen.

Dieser gesetzlichen Vorgabe wurde im Rahmen der gewählten Organisationsform für das GAR Rechnung getragen, indem Verfassungsschutz und BKA von verschiedenen Orten aus arbeiten (Meckenheim und Bonn) und sich, im wöchentlichen Wechsel der jeweiligen Dienststellen, täglich zur Koordination ihrer Arbeit treffen.

„Rechtsextremismus im Visier“

Im Rahmen der Gründungsveranstaltung des „Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus“ begründet Heinz Fromm, Chef des Verfassungsschutzes, die Notwendigkeit der neuen behördlichen Plattform so: „Vor allem den militanten Rechtsextremismus muss man sehr viel genauer ins Visier nehmen als in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten.“

Mit dieser Aussage wird zunächst der Vorwurf gegenüber Ministerien und Ermittlungsbehörden bestätigt, rechtsextremistische Gewalt bislang nicht ernst genug genommen und nicht entschieden genug bekämpft zu haben. Dies war von führenden Innenpolitikern und auch vom Innenminister in den letzten Wochen immer wieder bestritten worden.

So hatte Hans-Peter Friedrich noch im November auf entsprechende Vorwürfe der Opposition, die Behörden seien bei der Bekämpfung von Extremismus auf dem rechten Auge blind, gesagt: „Überall, wo diese Bedrohungen stattfinden, ist die Polizei da.“

In einer gemeinsamen Recherche haben „ZEIT“ und „Tagesspiegel“ in Deutschland insgesamt 138 Todesopfer rechter Gewalt in den vergangenen 20 Jahren ermittelt. Die renommierte Amadeu-Antonio-Stiftung spricht sogar von mehr als 180 Opfern. Bundesregierung und Polizei zählen dagegen nach wie vor 48 Tote. Es stellt sich die Frage, wie es Journalisten und Stiftungen gelingen konnte, ohne jeglichen Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln, ohne Polizeibefugnisse und ohne staatliche Unterstützung ein zutreffenderes Bild von den Folgen rechten Terrors zu zeichnen und zu veröffentlichen, als es dem Staat und seinen Behörden gelang.

Seit der Aufdeckung der Zwickauer Terrorzelle nimmt die Polizei, ohne Vorratsdatenspeicherung, Verbunddateien oder das erst jetzt gegründete GAR, fast täglich weitere Verdächtige fest, die in das terroristische Netzwerk verstrickt sind. Plötzlich besteht scheinbar die Bereitschaft, über ein erneutes NPD-Verbot nachzudenken und erstmalig sind die Regierung und ihre Behörden bereit, sich ernsthaft mit den Gefahren des rechten Terrorismus auseinander zu setzen.

Der politische Wille

Es wird deutlich, dass diese Bereitschaft nicht auf zusätzlichen Befugnissen, Behörden, Plattformen oder technischen Verfahren beruht sondern ausschließlich auf dem politischen Willen, sich mit dem Rechtsterrorismus zu beschäftigen. Das Innenministerium nutzt die hohe Erwartung von Öffentlichkeit und Medien, um jetzt staatliche Befugnisse durchzusetzen, denen sich die Bevölkerung bislang mit gutem Grund versperrt hat. Hans-Peter Friedrich setzt auf eine stärkere Überwachung im Internet, auf eine engere Zusammenarbeit genau jener Behörden, deren Verstrickung in die rechte Szene nach wie vor nicht aufgeklärt ist und setzt den rechten Terror erwartungsgemäß als Argument für die umstrittene Vorratsdatenspeicherung ein.

Die jetzt installierten Kontroll- und Überwachungsbefugnisse sind unter grund- und bürgerrechtlichen Gesichtspunkten höchst bedenklich. Der Innenminister nutzt zu ihrer Durchsetzung eine Atmosphäre, in der sich natürlich niemand ernsthaft gegen die Bekämpfung des rechten Terrors in Deutschland stellen will. Damit wehrt er den Vorwurf der Untätigkeit ab, signalisiert vordergründig den Willen, gegen rechte Terroristen zu kämpfen und setzt Polizei- und Behördenbefugnisse durch, die unter „normalen“ Umständen in der Bevölkerung keine Mehrheiten finden würden.

Ohne den ernsthaften politischen Willen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft werden die jetzt ergriffenen Maßnahmen ergebnislos bleiben. Einmal durchgesetzt und installiert, lassen sich die neuen Befugnisse und Strukturen allerdings auch gegen jede andere Bevölkerungsgruppe einsetzen. Grund genug, die Maßnahmen kritisch zu bewerten und sich vor die Frage zu stellen, ob nicht die bestehenden Instrumente zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bereits seit Jahren ausgereicht hätten, wenn nur der politische Wille zum Kampf gegen Rechts vorhanden wäre.