Presseschau Japan

Zögern im Krisensumpf

Japan kommt nicht voran

Seit Jahren drücken Rekordschulden, das Land stagniert wirtschaftlich. Und dann kamen noch ein Tsunami und die Katastrophe von Fukushima dazu. Gerade jetzt zeigt sich aber immer mehr, dass die vor zwei Jahren mit vielen Vorschusslorbeeren angetretene Demokratische Partei die Hoffnungen ihrer Wähler kaum erfüllen wird.

Sie gab im Zusammenhang mit Fukushima ein überaus klägliches Bild ab; sie bekommt die Staatsschulden nicht in den Griff, zumal Steuererhöhungen zu Lasten der Geringverdiener erfolgen. Diese und andere Probleme führten nun zu dem überfälligen Rücktritt des bisherigen DPJ-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Naoto Kan. Doch auch sein Nachfolger kann nicht wirklich überzeugen: Yoshihiko Noda ist alles andere als beliebt im Volk und außerdem fehlt ihm der innerparteiliche Rückhalt, um die anstehenden wichtigen Entscheidungen auch durchsetzen zu können. Keine guten Aussichten für den Inselstaat.

Doppelte Krise

Japans Wirtschaft liegt am Boden

Tsunami und Erdbeben haben die Katastrophe im Atommeiler Fukushima I ausgelöst. Aber auch abgesehen von den unmittelbaren Schäden leidet die japanische Wirtschaft noch immer unter den Folgen. Der Agrarsektor in dieser Region kann seine kontaminierten Produkte nicht mehr verkaufen. Vor allem haben die Verwüstungen die Verkehrsinfratruktur getroffen; in zahlreichen Betrieben fehlen daher Rohstoffe und Vorprodukte – auch in jenen, die selbst gar nicht beschädigt wurden. Der zeitweise Ausfall von mehr als der Hälfte der AKW führt zudem zu einem Engpass bei der Energieversorgung.

Insgesamt ist die Industrieproduktion um mehr als 10 Prozent eingebrochen. Hinzu kommt, dass sie durch die weltweite Wirtschaftskrise auch schon vor der Katastrophe gesunken war. Mittlerweile bewegt sich die Gütererzeugung auf dem Niveau von 1987.

Katastrophale Informationspolitik

Das Wissen über den japanischen Atomunfall bleibt nebulös

Über zwei Monate nach Beginn des Unfalls im japanischen Atomkraftwerk Fukushima I ist die Öffentlichkeit immer noch schlecht informiert über Hergang, Stand und realistische Szenarien der fortlaufenden Katastrophe. Als sicher kann dagegen die Fragwürdigkeit der Informationspolitik von Tepco und der japanischen Regierung gelten. Denn offenbar, so berichten zahlreiche Medien, die sich auf einen Insider berufen, hat nicht erst der Tsunami den Ausfall des Kühlsystems verursacht. Vielmehr hat das Erdbeben zumindest im ersten Block ein Leck in das Kühlsystem geschlagen. Daraufhin ist das Gros der Brennstäbe geschmolzen und auf den Boden des Reaktors gesunken, das so genannte Corium: Die bisherige Darstellung des Ablaufs steht grundsätzlich in Frage. So bleibt vieles im Unklaren, die Lecks in der Informationspolitik sind zumindest kleiner als die in den Reaktoren in Fukushima. 

Vor der Katastrophe ist nach dem Super-GAU

Spurensuche bei den beiden prominentesten Atomunfällen
Erstarrte Corium-Lava im Keller
Erstarrte Corium-Lava im Keller

Heute vor 25 Jahren ereignete sich in den frühen Morgenstunden die Reaktorkatastophe von Tschernobyl, ausgelöst durch eine Kombination von Konstruktionsfehlern des Reaktortyps sowie Bedienfehlern bei einer Art Experiment im laufenden Betrieb. Zugleich liegt der Beginn der fortlaufenden Havarie der Fukushima-Reaktoren nun eineinhalb Monate zurück. Die Wissensredaktion des WDR sendete eine Bestandsaufnahme sowohl der abgeschlossenen als auch der laufenden Katastrophe. Bei diesem Vergleich sind zwar einige Flüchtigkeitsfehler unterlaufen; so ist nicht sicher, ob bei dem Unfall im russischen Majak im September 1957 weit mehr strahlendes Material entwich als in Tschernobyl. Auch wird der Konflikt zwischen Forschern um die Folgeschäden von Tschernobyl ausgeblendet. Dennoch ist die Dokumentation durch ihre zahlreichen, anschaulich dargestellten Fakten sehenswert.

Auch ARTE stellt heute durch einen Themenabend in mehreren Beiträgen die langfristigen Folgeschäden Tschernobyls in ganz Europa dar. 3sat zeigt eine bereits vor 5 Jahren vom Discovery Channel ausgestrahlte Dokumentation sowie einen Film zu den Liquidatoren.

Über alle Grenzen

Experten fordern das Eingreifen der internationalen Gemeinschaft in Japan

Trotz der tröpfelnden Informationspolitik der Betreibergesellschaft Tepco sowie der japanischen Regierung wird immer deutlicher, daß die nukleare Katastrophe in Japan unabsehbare Ausmaße annimmt, die in ihren Folgen Tschernobyl übertreffen könnte. So sind Experten in Österreich und den USA der Auffassung, daß bereits etwa die Hälfte der Menge des lange strahlenden Cäsium ausgetreten ist verglichen mit der Menge in Tschernobyl. Einige Fachleute wie der amerikanische Wissenschaftler Najmedin Meshkati fordern bereits das Eingreifen des UNO-Sicherheitsrates, da die Japaner mit der Bewältigung der Krise offenbar überfordert seien. Auch die internationale Atomenergiebehörde IAEA steht aufgrund ihrer zögerlichen und verharmlosenden Haltung in der Kritik.

Wochen der Furcht

Hintergründe zum Atomunfall in Fukushima

Eine herausragende Darstellung des Ablaufs der nuklearen Katastrophe im japanischen Nuklearstandort in Fukushima sowie der technischen Hintergründe bietet WDR Quarks & Co in zwei Sendungen zum Thema. Dabei kommen zahlreiche Aspekte zur Sprache. Von einem Rückblick auf den Unfall in Tschernobyl 1986, zu den gesundheitlichen Folgen des jetzigen Unfalls und einem detaillierten Ablaufprotokoll. Wer bisher ausreichende Hintergrundinformationen vermisst hat, findet sie hier.

Boom und Katastrophe

Die Zukunft der Atomenergie
Anti-Atom-Demonstration in Berlin, 12.3.2011 <br/>Foto von Frank Eßers
Anti-Atom-Demonstration in Berlin, 12.3.2011 Foto von Frank Eßers

Noch immer ist unklar, wie schwerwiegend die Probleme im japanischen Kraftwerk Fukushima I sind. Angesichts der drohenden Katastrophe ist jedoch die Diskussion über die Zukunft dieser Technologie neu entbrannt. Jedenfalls in Deutschland.

In Asien dagegen schreitet der Bau von neuen Meilern weiter voran. So sollen allein in China zahlreiche Kraftwerke errichtet werden, ebenso in Russland und Indien. Und andere Länder denken über den Einstieg nach oder haben diesen bereits beschlossen. Die weltweiten Reaktionen auf den Unfall sind jedenfalls recht unterschiedlich.

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